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Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur veröffentlichte Fotos von Führer Kim Jong-un, wie er prächtig aussehende Maisfelder und -kolben inspiziert.

Foto: Reuters/KNCA

Nur wenige Stunden zuvor publizierte Unicef Bilder von den Schäden durch Überschwemmungen im Nordosten des Landes. Bislang starben dort 133 Menschen, weitere 400 galten als vermisst. Zigtausende Häuser wurden zerstört, ebenso Reis- und Maisfelder.

Foto: APA/AFP/UNICEF DPRK/MURAT SAHIN

Pjöngjang/Wien – Die nackten Zahlen sprechen für sich: Bislang 133 Tote, 395 Vermisste, 100.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, 35.000 Häuser wurden beschädigt, davon 24.000 komplett zerstört, mindestens 140.000 Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Die Überschwemmungen im Nordosten Nordkoreas, sagt daher Chris Staines, sind eine "große Katastrophe".

Der 52-jährige Australier leitet in Pjöngjang das Büro des Internationalen Roten Kreuzes und war Teil einer Delegation, die vor wenigen Tagen das betroffene Gebiet in der Provinz Nordhamgyong besichtigen durfte. "Die Leute haben ihre Häuser verloren, ihre Vorräte, ihre Felder, die kurz vor der Ernte standen", sagt Staines am Telefon gegenüber dem STANDARD, "sie brauchen Unterkünfte, Nahrung, sauberes Wasser und Medikamente. Denn der Winter kommt bald, und der ist dort sehr hart." Nachts können die Temperaturen dann auf bis zu minus 30 Grad sinken.

Als Folge des Taifuns Lionrock Ende August kam es in der Region zu heftigen Regenfällen, der Fluss Tumen, der teilweise die Grenze zu China und Russland bildet, trat über die Ufer. Besonders betroffen sind laut Staines die Regionalkreise Musan und Yonsa und die Stadt Hoeryong, wo etwa 100.000 Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.

Die Hilfe für die Flutopfer ist bereits angelaufen. "Es sind tausende Freiwillige vor Ort, um Straßen zu reparieren und Notunterkünfte zu bauen. Und die Zusammenarbeit der internationalen Hilfsorganisationen mit den Behörden funktioniert sehr gut", sagt Staines. Auch die nordkoreanische Parteizeitung Rodong Sinmun pries die Hilfsmaßnahmen und rief zum Ziel aus, "aus der Region ein Märchenland in der Ära der Arbeiterpartei zu machen".

Geht es um etwaige Komplikationen in der Kooperation mit den nordkoreanischen Behörden, dann bleibt Staines aber sehr vage. "Nordkorea hat ein spezielles politisches System. Unser Ziel ist es, Menschen in Not zu helfen, und wir haben einen Weg gefunden, das in diesem politischen System durchzuführen", so der Australier, ohne weitere Details zu nennen. Unbeantwortet blieb daher auch die Frage, ob die jüngste Eskalation im Atomstreit Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den nordkoreanischen Behörden haben könnte.

Auch die Deutsche Welthungerhilfe nahm wie das Rote Kreuz und andere internationale Hilfsorganisationen am von der Regierung durchgeführten Lokalaugenschein in der Provinz Nordhamgyong teil. "Wir sind eigentlich nicht in der Region tätig, aber angesichts der massiven Zerstörung durch die Überschwemmungen haben wir uns entschlossen, mitzuhelfen", sagt Mathias Mogge, Vorstand für Programme bei der Welthungerhilfe, die seit 1997 in Nordkorea tätig ist.

"Kein Land wie jedes andere"

Was die Kooperation mit den Behörden betrifft, zeigt sich Mogge etwas offener als Staines: "Nordkorea ist kein Land wie jedes andere, unsere Mitarbeiter dürfen dort nicht allein unterwegs sein. Daher arbeiten wir mit den staatlichen Behörden zusammen." Das bedeutet, dass Hilfsgüter gemeinsam mit den Regierungsbehörden verteilt werden. "Wir kontrollieren immer ganz genau, dass die Güter auch dort ankommen, wo sie benötigt werden. Das ist Grundvoraussetzung für unsere Arbeit in Nordkorea", sagt Mogge dem STANDARD. Dies müsse der Regierung in Pjöngjang ab und zu in Erinnerung gerufen werden, "denn deren Position schwankt immer wieder", so der Vorstand der Welthungerhilfe.

2015 etwa ordnete Nordkorea die Ausweisung zweier Mitarbeiter der Welthungerhilfe an. Die Gründe, so Mogge, waren unklar. "Ich bin nach Nordkorea gereist, um zu verhandeln. Schließlich haben wir uns darauf geeinigt, mit neuem Personal einen Neustart zu versuchen." Seitdem funktioniert die Kooperation wieder. (Kim Son Hoang, 13.9.2016)