Wien – Folgt man dem Verfahren gegen den 18-jährigen Y., drängt sich der Verdacht auf, dass die jungen Menschen zu viel fernsehen – und alles glauben, was sie da sehen. Der Fall klingt nämlich, als ob er schon Richterin Barbara Salesch oder Richter Alexander Hold beschäftigt hätte.

Es geht um eine Schlägerei im März 2015 vor einer Diskothek in Mattersburg, die für einen 19-Jährigen mit einem Kieferbruch endete, an dem er noch immer laboriert. Es gab schon einen Prozess gegen drei Wiener – der damals überraschend mit drei Freisprüchen ausgegangen war, da plötzlich Y. auftauchte und sich bezichtigte, der Schläger gewesen zu sein.

Kein Schlagring im Spiel

Nun ist er vor Richter Andreas Hautz. Und bekennt sich wieder nicht schuldig: Er habe dem Verletzten einen Schlag verpasst, aber ohne Schlagring, und das Opfer sei in die Disco zurückgegangen, wo noch eine weitere Schlägerei gewesen sein könnte.

"Es gibt leise Zweifel, dass Sie da überhaupt dabei waren", versucht es Hautz. Die drei ursprünglich Angeklagten hatten ihn weder bei der Polizei noch vor Gericht erwähnt. Und das Opfer ist sich absolut sicher, Y. – markante Gesichtszüge, imposante Statur – noch nie gesehen zu haben.

Der Angeklagte erklärt, er habe sich beim ersten Prozess dann gemeldet, da er nicht wollte, dass seine Bekannten verurteilt werden. Der Richter vermutet anderes: Der ursprünglich angeklagte Haupttäter hat mehrere Vorstrafen, Y. ist unbescholten und war damals noch minderjährig.

Angeklagten noch nie gesehen

Der Verletzte bleibt dabei, den Angeklagten noch nie gesehen zu haben. Den Schläger kann er eindeutig identifizieren. Der Verletzte bleibt auch heute dabei, dass er den Angeklagten noch nie gesehen hat, den Schläger aber eindeutig identifizieren kann. Der Auftritt der Gegner gerät dann, vorsichtig ausgedrückt, etwas unglaubwürdig.

Das beginnt mit der Frage, wie man überhaupt ins Burgenland gekommen ist. Die Angaben schwanken zwischen vier und sieben Personen, die in ein bis zwei Autos saßen. Manche vergessen dabei sogar diesmal, den Angeklagten als Mitreisenden zu erwähnen.

Auch die Aussagen, wer wen geschlagen hat, divergieren beträchtlich. Einer sagt zum Beispiel nur: "Plötzlich ist von hinten eine Hand über meine Schulter gekommen." – "Bei mir ist noch nie eine Hand vorbeigekommen", merkt Hautz an. "Ich habe ja hinten keine Augen", antwortet der Zeuge.

Zeuge schnauzt Ankläger an

Fast niemand kann schlüssig erklären, warum Y.s Name davor nie gefallen ist. Nur der ursprüngliche Hauptverdächtige schnauzt den Staatsanwalt an: "Verraten Sie jemanden? Ich nicht!" Es entspinnt sich auch folgender Dialog zwischen Hautz und einem weiteren Zeugen. "Finden Sie, dass das recht glaubwürdig ist?" – "Ich weiß nicht, wie Sie das finden. Ich will jetzt nichts Falsches sagen ..." "Gott behüte!", kann es sich Hautz nicht verkneifen.

Der Privatbeteiligtenvertreter, der 3000 Euro Schmerzensgeld für seinen Mandanten will, hält Y. notgedrungen immer noch für schuldig. "Sie sind zum Bauernbashing von Wien ins Burgenland gefahren", wirft er dem Teenager aus Wien-Floridsdorf vor. Hautz glaubt das nicht und fällt einen nicht rechtskräftigen Freispruch. "Hier ist gelogen worden, dass sich die Balken biegen", begründet er den Spruch. Gleichzeitig kündigt er Y. an, es sei "ein Freispruch, der wohl für sie noch Folgen hat". Ihm und seinen Freunden drohen nun nämlich Verfahren wegen falscher Zeugenaussage und Begünstigung. (Michael Möseneder, 24.10.2016)