Viel Andrang bei Van der Bellens Pressekonferenz am Samstagvormittag. Der Professor ist überzeugt, dass der Termin am 2. Oktober nicht gehalten werden kann

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Wien – Zu Beginn seiner anstelle des abgesagten Wahlkampfauftakts angesetzten Pressekonferenz ist Alexander Van der Bellen noch zu Scherzen aufgelegt: "Man hat den Eindruck, die Republik steht still. Und was ist die Ursache? Klebstoff. Tatsächlich kann Klebstoff erhebliche Auswirkungen haben."

Van der Bellen ist überzeugt, dass die mangelnde Klebekraft des Leims, mit dem die Wahlkarten für den Wahltermin am 2. Oktober zugepickt wurden, zu einer Verschiebung des Wahltermins führen muss. Und die Folgen für seinen Wahlkampf sieht er sportlich: "Es hat ja etwas Charmantes, wenn der österreichische Wahlkampf den amerikanischen zumindest in seiner Länge schlägt."

Jede Stimme ordentlich zu zählen

Dann aber wird er ernst: "Das Wahlrecht ist das Fundament der Demokratie. Jede Wählerin, jeder Wähler muss das Recht haben, dass seine Stimme ordentlich gezählt wird. Dass eine gültig abgegebene Stimme auch gültig bleibt, daran darf kein Zweifel bestehen." Und eben das sei nicht gewährleistet, wenn Wahlkartenkuverts irgendwann zwischen Stimmabgabe und offizieller Öffnung unter den Augen der Wahlkommission aufplatzen.

Dies führt nämlich nach aktueller Rechtslage dazu, dass die jeweilige Stimme als ungültig auszuscheiden wäre, weil der Inhalt des Wahlkuverts theoretisch manipuliert worden sein könnte. Weil offenbar tausende Wahlkartenkuverts von den Phänomen betroffen sind, hätte das unabsehbare Auswirkungen. "Diese Vorstellung ist unerträglich", doziert der Professor.

Kein Grund, Österreich als Bananenrepublik zu sehen

Aber angesprochen auf einen Zeitungskommentar, der Österreich als Bananenrepublik bezeichnet hat und als fällig für eine Besachwalterung durch OSZE und UNO, zieht er eine klare Grenze: "Bleiben wir bitte auf dem Teppich. Lassen wir die Kirche im Dorf."

Beim Innenministerium sieht Van der Bellen jedenfalls keine Schuld: "Der Innenminister hatte keine Ursache anzunehmen, dass mit der Druckerei Probleme auftreten, die bisher nie aufgetreten sind." Jetzt liege es an den Behörden, einen neuen Wahltermin zu finden und gemeinsam mit Regierung und Parlament die Voraussetzungen für eine Wahlverschiebung zu schaffen, "ich hoffe, dass das noch 2016 sein kann".

Schließlich sei er seinen Wählerinnen und Wählern im Wort: "Ich habe schon einmal gewonnen, ich werde auch das nächste Mal gewinnen!"

Wahlrecht für Van der Bellen moralische Wahlpflicht

Und das sei auch demokratiepolitisch notwendig, nicht nur weil es um die Richtungsentscheidung gehe, ob Österreich ein verlässlicher Partner innerhalb der EU bleibe – sondern auch wegen des Vorschlags der FPÖ, die Briefwahl einvernehmlich auszusetzen: "Das ist bemerkenswert und ich muss mich schon wundern, mit welcher Leichtigkeit hier Grundrechte außer Kraft gesetzt werden sollen. Ich bin wirklich erstaunt, dass eine Parlamentspartei, die die demokratischen Rechte kennen sollte, auf so einen Vorschlag kommt."

Immerhin sind viele Berufsgruppen an (Wahl-)Sonntagen im Dienst und auch Arbeiter hätten das Recht, ein paar Tage auf Urlaub zu fahren – auch wenn da ein Wahlsonntag hineinfällt. In seinen Augen ist das Wahlrecht auch eine Wahlpflicht, wenn auch keine rechtliche, so immerhin eine moralische. (Conrad Seidl, 10. 9. 2016)