Ein Gericht, das Geschichte schreiben könnte: Der Kohl auf den Tagliatelle war mit der "Genschere" Crispr-Cas9 verändert worden.

Stefan Jansson / UNiversität Umeå

Umeå/Wien – Ob der 16. August 2016 in die Geschichtsbücher der Wissenschaft eingehen wird, wird sich erst noch weisen. An diesem Tag machte sich der schwedische Pflanzenforscher Stefan Jansson Tagliatelle mit gebratenem Gemüse und verspeiste das Gericht gemeinsam mit dem Journalisten Gustav Klarin.

Das Besondere an dieser mehr oder weniger epochalen Mahlzeit war der verwendete Kohl, von dem 300 Gramm in Öl angebraten wurden: Jansson hatte das Gemüse selbst gezogen – aus Samen, die ihm ein ausländischer Kollege zugesandt hatte, der anonym bleiben wollte. Der Grund für die Diskretion: Die Samen waren mittels Crispr-Cas9 "editiert" worden, und das bewegt sich in Europa rechtlich in einem Graubereich.

Das "köstlichste Gemüse" am Teller

Konkret wurde – nur zu Zwecken der Grundlagenforschung und nicht der Ertragssteigerung – DNA aus einer Region des Kohl-Genoms gelöscht, welche mit Wachstum zu tun hat und dieses durch den Eingriff verlangsamt. Der Kohl, der am 31. Mai gesät wurde, war jedenfalls erst Mitte August erntereif. Laut Klarin und Janssen war der Kohl jedenfalls das köstlichste Gemüse des Gerichts.

Anfang diese Woche machte Jansson sein Essen dann unter dem Titel "Die Gartenpflanzen der Zukunft sind da!" publik und erläuterte seine mehr oder weniger spektakuläre Aktion, die womöglich eine Welt-, ziemlich sicher aber eine Europapremiere war. Denn außer in Schweden sind in allen anderen Ländern Europas Crispr-veränderte Pflanzen wenn schon nicht explizit verboten, so zumindest nicht erlaubt. Das Urteil der EU-Kommission zur Zulassung steht immer noch aus.

Ist das Gentechnik oder doch nicht?

Die Gretchenfrage dabei ist, ob Veränderungen mittels der revolutionären Genschere Crispr, die von Emmanuelle Charpentier zuerst in Wien und dann in Umeå mitentwickelt wurde, als Gentechnik gilt oder nicht. Während bei der konventionellen Gentechnik die Gene von Viren als Transportfähren eingesetzt werden, ist Crispr-Cas9 sehr viel "sauberer", einfacher, treffsicherer und von einer "natürlichen" Mutation nicht zu unterscheiden.

Aber natürlich wird auch dabei das Genom verändert, was die Sache für den Gesetzgeber eben so knifflig macht. In den USA hat sich die nationale Gesundheitsbehörde bei Pilzen, die mit Crispr-Cas9 manipuliert werden, für eine Zulassung entschieden. Aber Pilze sind auch keine Pflanzen.

Pflanzen ohne fremde DNA

In Schweden gelten Pflanzen, die mittels der Genschere Crispr verändert wurden, nicht als genetisch manipulierte Organismen (GMOs), da sie eben keine fremde DNA enthalten, wie Janssen schreibt. Er wisse freilich nicht, ob nicht bereits in anderen Ländern Crispr-veränderte Pflanzen geheim angebaut und verspeist wurden. Sein Essen am 16. August war jedenfalls das erste offizielle mit Crispr-Gemüse. (Klaus Taschwer, 9.9.2016)