Eine Angola-Giraffe in Botswana. Die Unterart dürfte nach den neuen Ergebnissen der Spezies Giraffa giraffa zugerechnet werden.

Foto: Thomas Bergmayr

Frankfurt/Wien – Die Giraffe ist eine Ikone der afrikanischen Tierwelt. Bis ins frühe Altertum waren die eleganten Riesen über den gesamten Kontinent verbreitet, doch mit dem Wachstum antiker Imperien gingen die Bestände nördlich der Sahara allmählich zurück. Die letzten Populationen in den Küstenebenen Marokkos und Algeriens wurden im siebten Jahrhundert ausgerottet.

Seither schrumpft ihre Anzahl auch im südlichen Afrika, in den letzten Jahrzehnten sogar ziemlich rasant: Aktuellen Schätzungen zufolge gingen die Giraffenbestände in den vergangenen 30 Jahren um rund 35 Prozent zurück. Vermutlich leben heute nur noch knapp 100.000 Giraffen in ganz Afrika in freier Wildbahn.

Die alten Römer hielten die stattlichen Langhälse für Mischwesen aus Kamel und Leopard. Dieser Irrglaube hat der Giraffe schließlich ihren wissenschaftlichen Namen eingebracht: Giraffa camelopardalis. Heute gilt die Giraffe als eines der am besten erforschten Säugetiere Afrikas: Der bis zu 4,5 Meter hohe Paarhufer wird aufgrund seiner Fellzeichnung, der Form seiner Hörner und seines Verbreitungsgebietes in neun Unterarten eingeteilt – eine Erkenntnis, die nun womöglich grundlegend revidiert werden muss.

Ein Team um Julian Fennessy von der Giraffe Conservation Foundation und dem Senckenberg-Biodiversität- und Klima-Forschungszentrum hat mithilfe genetischer Studien nämlich nachgewiesen, dass es nicht eine, sondern insgesamt vier unterschiedliche Giraffenarten gibt.

Vier getrennte Arten

Grundlage der umfangreichen Erbgutanalyse, deren Ergebnisse nun im Fachblatt "Current Biology" präsentiert wurden, sind Gewebeproben von über 100 Giraffen aller Unterarten aus ganz Afrika. "Diese vier genetisch getrennten Gruppen von Giraffen paaren sich in freier Wildbahn offenbar nicht miteinander. Das zeigen die Sequenzen von voneinander unabhängigen kernkodierten Genen, die als repräsentativ für das gesamte Genom gelten" , erklärt Senckenberg-Forscher Axel Janke. "Trotz ihres ähnlichen Aussehens sollten die vier Giraffengruppen daher als eigenständige Arten betrachtet werden."

Die vier Arten sind: die Süd-Giraffe (Giraffa giraffa) mit den Unterarten Angola-Giraffe (G. g. angolensis) und Kap-Giraffe (G. g.giraffa), die Massai-Giraffe (Giraffa tippelskirchi), die Netz-Giraffe (Giraffa reticualata) und die Nord-Giraffe (Giraffa camelopardalis) mit den drei seperaten Unterarten Nubische Giraffe (G. c. camelopardalis), Westafrikanische Giraffe (G. c. peralta) und Kordofan-Giraffe (G. c. antiquorum).

Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass einige bisher gültigen Subspezieszuordnungen nicht korrekt sind: Die Rothschild-Giraffe etwa erwies sich als genetisch ident mit der Nubischen Giraffe, und auch zwischen der Thornicroft-Giraffe und der Massai-Giraffe konnte kein genetischer Unterschied festgestellt werden.

Bedrohter als gedacht

Für Janke und seine Kollegen ergeben sich aus den neuen Erkenntnissen wesentliche Konsequenzen: Bis heute sei die Giraffe aufgrund ihres Vorkommens eigentlich nicht als unmittelbar vom Aussterben bedroht angesehen worden. "Wir sehen nun, dass es vier Arten sowie genetisch einzigartige Unterarten gibt, und es zeigt sich, dass ihre biologische Vielfalt sehr wohl in Gefahr ist." (Thomas Bergmayr, 9.9.2016)