Die Kurse der Immobilienaktien klettern an der Wiener Börse in luftige Höhen.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Ob Übernahmeangebote, realisierte oder gescheiterte Fusionen – im Bereich der Immobilienkonzerne tat sich in den vergangenen Jahren im deutschsprachigen Raum einiges. Jüngstes Beispiel ist das bis zu 2,9 Milliarden Euro schwere Übernahmeangebot der deutschen Vonovia für die österreichische Conwert. Zudem verhandeln CA Immo und Immofinanz derzeit über einen möglichen Zusammenschluss. Vorangegangen war ein jahrelanger Lauf von Immobilienaktien, die den Wiener Gesamtmarkt weit hinter sich gelassen haben. In den vergangenen fünf Jahren erzielte der ATX eine zehnprozentige Wertsteigerung, während der Immobilien-Subindex im selben Zeitraum um 75 Prozent zulegte.

Damit sollte das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht sein, wenn es nach Raiffeisen-Centrobank-Analyst Christian Bader geht: "Allgemein betrachtet sehe ich für den Sektor noch immer Potenzial." Als Treiber hinter dem Kursaufschwung sieht er neben den fallenden Zinsen, welche die Finanzierungskosten tief halten, und den steigenden Mieten noch einen weiteren Faktor: "Die Gesellschaften verfügen über Grundstücksreserven, die sie entsprechend monetarisieren können." Sprich darauf Immobilien entwickeln und von Wertsteigerungen profitieren.

Deutsche Wohnimmobilien

"Generell spricht alles für deutsche Wohnimmobilien", sagt Fondsmanagerin Gabriela Tinti von der Erste Sparinvest. Dort bestehe ebenso wie in Österreich eine Mietwohnungskultur bei eher geringer Eigenheimquote. Im internationalen Vergleich seien die Mieten früher sehr günstig gewesen, seit der Finanzkrise habe aber ein Aufholprozess eingesetzt. Die Nachfrage in den Städten wird ihrer Ansicht nach vom Zuzug vom Land und aus Osteuropa gespeist bei gleichzeitig eher geringen Angebotszuwächsen, obwohl die Wohnbautätigkeit zuletzt wieder etwas angesprungen sei.

Die Bewertung der Immobilien hält Tinti noch nicht für ausgereizt: "Eine Immobilienblase sehe ich überhaupt nicht, auch nicht in Österreich." Zudem verweist sie auf eine stark zurückgegangene Verschuldung bei den Immobilienunternehmen, was einen soliden Risikopuffer für allfällige Krisen darstelle. "Die Bilanzen sind sehr solide. Die Ampel steht nach wie vor auf Grün", meint die Fondsmanagerin über das weitere Kurspotenzial.

Bedeutung nimmt zu

"Die Bedeutung des Immobiliensektors hat generell zugenommen", meint Sparinvest-Chefanalyst Harald Egger. Die Indexanbieter MSCI und S&P Dow Jones haben Immobilienaktien aus dem Finanzsektor herausgelöst und Anfang September als eigene Industriegruppe eingeführt. "Der Schritt der Indexanbieter macht Sinn. Immobilienaktien haben nur wenig mit der Wertentwicklung von Banken, Versicherern oder Vermögensverwaltern zu tun."

Egger ist der Ansicht, dass Immobilienpapiere mit der Abbildung als eigener Sektor stärker in den Fokus der Investoren rücken werden. Zumal die Ausschüttungen – Immotitel weisen eine Dividendenrendite von 3,8 Prozent auf verglichen mit 2,7 Prozent im Schnitt aller Branchen – zusätzliche Anleger anlocken würden: "Viele Investoren, die früher Anleihen gekauft haben, weichen wegen der Dividenden zu defensiven Aktien aus."

Sektor im Übernahmefieber

Das Übernahmefieber in der Immobilienbranche in Mitteleuropa wird besonders im Wohnimmobereich weitergehen, meint der Aufsichtsratschef des Wiener Immobilienentwicklers 6B47 Real Estate Investors, Arwed Fischer. Auch große deutsche Player wie Vonovia oder Deutsche Wohnen hätten sich für derartige Transaktionen gut aufgestellt. Trotz der Preisanstiege "sind wir weit weg von einer Immobilienblase", meint der frühere Chef von Patrizia Immobilien gegenüber der APA. "Verhältnisse wie seinerzeit bei der Subprime-Krise in den USA halte ich in Zentraleuropa derzeit für unmöglich." (Alexander Hahn, 11.9.2016)