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"Ich bin skeptisch wenn es darum geht, mittels Komik etwas zu verändern": John Cleese, hier bei einem Auftritt in Dänemark im April 2016.

Foto: AP/Tobias Nokolai/Polfoto

Hall in Tirol– John Cleese (76) hat beim Brexit-Referendum gegen einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt. Der britische Komiker, der als Teil von Monty Python Weltruhm erlangte, erklärt das als Votum "gegen diese bürokratische Kontrolle". Über US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump kann er nur lachen – er "wüsste nicht, was ich sonst tun sollte", sagte er der APA. Cleese ist am Wochenende beim Literaturfestival Sprachsalz in Hall in Tirol zu Gast, wo er aus seiner Autobiografie "Wo war ich noch mal?" (2015) liest.

APA: Gibt es den richtigen Moment, um eine Autobiografie zu veröffentlichen?

John Cleese: Ich glaube nicht. Ich bin immer überrascht, wenn jüngere Schauspieler ihre Autobiografien mit Mitte 20 vorlegen. Das finde ich ein bisschen anmaßend. (lacht) Die Wahrheit ist: Manche Menschen sind selbstbewusster als andere. Bei mir kam das erst in den vergangenen 20 Jahren. Mitte der 1980er-Jahre dachte ich: Du hast doch nicht wirklich etwas zu sagen! Einige Freunde haben mich dann überzeugt, dass ich doch interessante Dinge zu erzählen habe. Mittlerweile bin ich einfach selbstbewusster. Wahrscheinlich könnte ich meine zweite Autobiografie angehen, ohne dieselben Ängste wie vor 30 Jahren.

APA: Mussten Sie angesichts Ihrer langen Karriere bestimmte Episoden weglassen?

Cleese: Als ich begann, mich an einige Dinge zu erinnern, die mich wieder an etwas anderes erinnerten, was mich wiederum an etwas anderes erinnerte – da begann ich, Teile meines Lebens zurückzuerobern, die ich komplett vergessen hatte. Danach war es ziemlich einfach. Die Frage war eher: Wird es die Leute interessieren? Wahrscheinlich möchten sie lachen. Aber gleichzeitig werden sie auch auf Privates warten. Oder Dinge, die meine Arbeit beeinflusst haben. Ich schrieb also darüber, was mich interessierte. Alles andere war nebensächlich.

APA: Fällt es Ihnen eigentlich schwer, persönliche Dinge mit dem Publikum zu teilen?

Cleese: Das ist ein schwieriges Unterfangen – besonders, wenn man an die britische Presse denkt. Die ist teilweise wirklich bösartig. Wenn du etwas Persönliches preisgibst, werden sie es benützen, um dich anzugreifen oder zumindest herunterzumachen. Aber mit der Zeit erreichst du einen Punkt, an dem dich das nicht mehr kümmert. Manche Leute mögen dich, manche nicht – so ist das einfach. So waren auch die Reaktionen auf das Buch: Einige fanden es beizeiten sogar traurig, andere meinten, dass sie auf jeder Seite laut lachen mussten.

APA: Nach den Terrorattacken auf das französische Magazin "Charlie Hebdo" gab es eine Diskussion darüber, was Satire darf und was nicht. Was kann Komik in einer Gesellschaft leisten?

Cleese: Ich bin skeptisch wenn es darum geht, mittels Komik etwas zu verändern. Komiker können dieses Bedürfnis nach Veränderung zwar kanalisieren, indem sie darüber Witze machen und bei den Menschen die Aufmerksamkeit erhöhen. Aber man muss nur an die wunderbaren, satirischen Kabaretts in Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg denken – sie haben Hitler natürlich auch nicht daran hindern können, an die Macht zu kommen. Manchmal kann man vielleicht etwas erreichen, aber das passiert selten.

APA: Der isländische Komiker Jon Gnarr, der auch bei Sprachsalz lesen wird, war Bürgermeister seiner Heimatstadt Reykjavik. Wäre die Politik eine Karrieremöglichkeit für Sie?

Cleese: Das könnte ich mir nicht vorstellen. Es gibt Dinge, die ich unglaublich langweilig finde: Einerseits wären da die Debatten. Und andererseits würde ich es schrecklich finden, meine eigenen Überzeugungen verraten zu müssen, nur um auf Parteilinie zu bleiben. Darum war meine Unterstützung, konkret für die Liberaldemokraten, auch immer etwas zurückhaltend. Sie haben sich für das Verhältniswahlrecht ausgesprochen, was aus meiner Sicht der erste Schritt für eine gesunde Gesellschaft wäre. Aber ich war nie so angetan von Europa wie sie. Ich bin froh, dass wir aus dem Euro draußen geblieben sind – das ist doch ein einziges Desaster!

APA: Darf man davon ausgehen, dass Sie über den anstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der EU froh sind?

Cleese: Wenn ich zum Brexit gefragt werde, gebe ich eine ehrliche Antwort: Würde ich glauben, dass eine Chance zur Reform der Europäischen Kommission besteht, dann hätte ich für einen Verbleib gestimmt. Aber ich denke nicht, dass es so eine Chance gibt. Sie dient nicht Europa als Ganzem, sondern nur einem bestimmten Teil, und dem Rest hört sie nicht zu. Also habe ich gegen diese bürokratische Kontrolle gestimmt.

APA: Nicht nur angesichts der Flüchtlingssituation scheint es in vielen Ländern ein Erstarken von nationalistischen Tendenzen zu geben. Andererseits ist die Welt immer stärker vernetzt...

Cleese: Ich glaube, dass teilweise Rassismus mit Kulturalismus verwechselt wird. Ich bin natürlich gegen Rassismus, weil man nichts dagegen machen kann, wie man geboren wurde. Aber wenn du in eine Kultur geboren wurdest, die du nicht magst, dann kannst du etwas dagegen tun. Wenn ich nach Wien oder Salzburg gehe, möchte ich, dass sich das österreichisch anfühlt – und nicht wie jede andere Großstadt in Europa. Es ist schön, wenn man verschiedene Kulturen hat, aber diese sollten die vorherrschende Kultur nicht überschwemmen. Sie soll wie ein Regenschirm für alle anderen fungieren und sie umfangen.

Was aber passiert: Wir verlieren die individuellen Kulturen. Ich möchte aber, dass die Franzosen weiterhin schwierig sind, die Italiener gutes Essen haben und die Spanier ihre Siesta. Wer in ein anderes Land kommt, der sollte sich die grundlegendsten Prinzipien aneignen. Oft heißt es, dass man kein Urteil zwischen Kulturen fällen sollte, das sei zu subjektiv. Dem antworte ich gerne: Wenn ich mir eine Kultur anschaue, die bei Frauen Genitalverstümmelung zulässt, dann ist diese schlechter als jene, die das nicht zulassen. Außerdem kann man doch Teil von zwei Kulturen sein und auf beide stolz sein, nicht? Dann würde es sehr wenig Konflikt geben. Den gibt es nur dann, wenn jemand die Idee von Demokratie oder Religionsfreiheit nicht akzeptiert.

APA: Um das Gespräch nicht ganz so ernst zu beenden: Was war das letzte, worüber Sie heute gelacht haben?

Cleese: Derzeit ist das meist das, was Donald Trump gerade gesagt hat.

APA: Ist es nicht auch gefährlich, über ihn zu lachen?

Cleese: Ich wüsste nicht, wie ich sonst reagieren soll. Wenn er wirklich zum Präsidenten der USA gewählt wird, bestätigt das die weltweite Vorahnung, wie dumm Amerikaner sind. (lacht) Natürlich abgesehen von jenen, die zu meinen Shows kommen.

APA: Wird man noch lachen können, wenn es wirklich einen US-Präsidenten Trump gibt?

Cleese: Es wird wohl zu Beginn viele Lacher geben. In mir gibt es sogar einen kleinen Teil, der ihm Erfolg bei der Wahl wünscht, damit diese Dummheit, die für den Golfkrieg vor einigen Jahren verantwortlich war, die Konsequenzen serviert bekommt. Aber natürlich wird Geschichte immer umgeschrieben und jemand anderes zum Sündenbock gemacht. Niemand gibt zu, falsch gelegen zu sein. Aber ernsthaft: Es wäre ein absolutes Desaster. Ich mache gerne den Witz: Sollte Trump gewählt werden, werde ich mir Grundstücke in den USA kaufen. Und wenn mich die Leute dann entgeistert anschauen, sage ich: Natürlich nicht jetzt, sondern in vier Jahren, wenn die Preise im Keller sind. (Christoph Griessner/APA, 7.9.2016)