Salzburg – Die Integration in der Schule würde besser funktionieren, wenn das Potenzial der Vielfalt genutzt werde. Deshalb plädiert der Integrationsexperte Kenan Dogan Güngör für mehr Lehrer mit Migrationshintergrund. Derzeit würden die Klassenzimmer immer heterogener und die Lehrerzimmer immer homogener werden. Die mangelnde Pluralität der Lehrerschaft berge die Gefahr, dass sich die Pädagogen und die Schüler entfremden.

Lehrer, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen und zusätzlich eine andere Sprache sprechen, könnten mit der Diversität in den Klassenzimmern umgehen und auch ihre Kollegen unterstützen, die Kinder besser zu verstehen. "Sprache baut Vertrauen auf", erklärt der türkischstämmige Soziologe. Auch Lehrer mit einer hohen Sozialkompetenz brauche es. Für Güngör müsse das ein viel wichtigeres Kriterium bei der Lehrerausbildung sein.

Bildung wird immer noch vererbt

Mittelfristig müsse die Strategie lauten, mehr Schüler mit Migrationshintergrund dazu zu bringen, eine Lehrerausbildung zu machen. Dazu müssten die Kinder darin bestärkt werden, dass auch das Lehramt ein Weg für sie sein könne. Für viele Schüler mit Migrationshintergrund sei eine Lehre zum Kfz-Mechaniker oder zur Frisörin schon das Höchste, sagt Kenan Güngör.

In Österreich herrsche noch immer das Problem der Vererbung der Bildungsqualifikation, betont der Soziologe. Die Schule habe zwar einen Kompensationsauftrag, produziere aber Bildungsungleichheit etwa durch Hausaufgaben. "Die Lehrer erwarten, dass die Eltern den Kindern helfen", sagt Güngör. Ein wichtiger Indikator für den Lernerfolg der Kinder sei also immer noch der Bildungshintergrund der Eltern. Güngör ist ein Verfechter der Ganztagsschule: "Der Bildungsauftrag muss in der Schule bleiben. Dort müssen auch die Hausaufgaben gemacht werden."

Mehr Sprachlehrer benötigt

Güngör, der Integrationsleitbilder für Gemeinden und Länder entwickelt, trat im Rahmen der Lehrerfortbildung Salzburg Summer School als Hauptredner auf.

"Für das Gelingen von Integration ist der Erwerb der deutschen Sprache eine Grundvoraussetzung", sagt Güngör. Die Regierung habe das erkannt und die Sprachförderung stark aufgestockt, es reiche aber noch nicht aus. Das Problem sei, dass es zu wenige Sprachlehrer gebe. Die Diskussion über Sanktionen, wenn kein Deutschkurs besucht wird, führe zu einem falschen Bild. "Die Wartelisten sind lang. Die Leute wollen Deutsch lernen. Wir haben aber zu wenige Kurse", betont der Migrationsexperte.

Das System zur Vergabe von Sprachförderkursen müsse geändert werden, meint Güngör. "Wir produzieren den Förderbedarf der Kinder, weil die Schulen nur dann Geld für Sprachkurse bekommen. Dieses System funktioniert nicht." (Stefanie Ruep, 7.9.2016)