Dass Ambulanzen wegen eines Ärztestreiks nur für Notfälle offenstehen, missfällt dem KAV.

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Wien – Die Stimmung ist aufgeladen, der Ton zwischen Ärzten und Krankenanstaltenverbund (KAV) wird schärfer. Am Mittwoch findet die erste Protestveranstaltung der Mediziner der Wiener Gemeindespitäler statt, fünf Tage später, am 12.9., soll es einen Warnstreik geben.

Vergangene Woche informierte der KAV die Abteilungsleiter darüber, dass eine Teilnahme an den Protestveranstaltungen eine Dienstrechtsverletzung sei und die Mitarbeiter deshalb nur in ihrer Freizeit daran teilnehmen dürfen. In einem weiteren Brief erinnerte Personalvorstand Martin Walzer die Stationsleiter, dass, "falls es dazu kommt, dass Ärzte ungerechtfertigt vom Dienst fernbleiben, umgehend eine Meldung an den Vorstandsbereich zu tätigen ist". Es dürfe an beiden Tagen nicht zu Leistungsreduktionen kommen. "Auf die diesbezüglichen Meldepflichten in Bezug auf allfällige Abwesenheiten der Ärzte im Zusammenhang mit den geplanten Veranstaltungen wird hingewiesen." Beide Schreiben liegen dem STANDARD vor.

KAV sieht Versorgungsauftrag gefährdet

Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher, dass der KAV die "neutrale Pflicht" habe, die Mitarbeiter rechtzeitig zu informieren. Doch: "Der Inhalt ist eindeutig" – man wolle den Ärzten die Teilnahme erschweren. Auch wenn die protestierenden Ärzte eine Notversorgung sicherstellen wollen, sieht der KAV seinen gesetzlich vorgeschriebenen Versorgungsauftrag dann nicht erfüllt.

Die rechtliche Lage dazu ist nicht eindeutig – in Österreich gibt es kein gesetzlich geregeltes Streikrecht. Doch dass ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Teilnahme an Protesten nicht verbieten darf, wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2008 festgehalten. "Wenn es ein zulässiger Streik ist, wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, darf die Teilnahme kein Entlassungsgrund sein", erklärt Arbeitsrechteexperte Elias Felten von der Uni Salzburg im STANDARD-Gespräch. Das Streikziel, also die Forderung, müsse vom Arbeitgeber erfüllt werden können, politische Ziele könnten hingegen eine Dienstrechtsverletzung darstellen. Doch hier wird es kompliziert. Die Wiener Mediziner sind Vertragsbedienstete, ihr Dienstmodell wurde im Landtag beschlossen. Dennoch ist Felten skeptisch, dass die Proteste mit politischen Motiven begründet werden können.

Die Ärztekammer geht bei den Kampfmaßnahmen einen Schritt weiter und setzt mit einer Onlinepetition auf die Unterstützung der Bürger. Adressatin ist die SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Ziel der Kampagne ist, die "patientenfeindlichen Maßnahmen in den Spitälern" rückgängig zu machen. (Marie-Theres Egyed, 6.9.2016)