Sabine Ladstätter, Leiterin der österreichischen Grabungen in Ephesos, will alles versuchen, damit Schutzmaßnahmen für die Ruine getroffen werden können.

APA/GEORG HOCHMUTH

Mit "Fassungslosigkeit und großer Empathie" sei die vom türkischen Außenministerium angeordnete vorzeitige Einstellung der archäologischen Arbeiten in Ephesos aufgenommen worden, erklärte die Leiterin der österreichischen Grabungen in der antiken Stadt, Sabine Ladstätter, am Montag gegenüber der APA. Der Schritt wird auch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bedauert.

Am Sonntag wurde bekannt, dass das türkische Außenministerium die Einstellung der Grabungen mit Ende August angeordnet hat. Als Grund dafür nannte die türkische Nachrichtenagentur Dogan die Spannungen zwischen Wien und Ankara.

Angesichts der langen Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Österreich in Ephesos sei es der ÖAW "ein wichtiges Anliegen, diesen für alle Seiten gewinnbringenden internationalen wissenschaftlichen Austausch auch in Zukunft weiterzuführen", erklärte ÖAW-Präsident Anton Zeilinger in einer Aussendung. Das für die Grabung zuständige Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) ist eine Einrichtung der ÖAW.

Ein Dutzend Mitarbeiter betroffen

"Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch, um die Grabungsarbeiten in Ephesos im kommenden Jahr fortsetzen zu können und ich bin zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame Lösung finden", sagte ÖAI-Direktorin Ladstätter. Die österreichischen Archäologen müssen jährlich die Grabungslizenz für Ephesos in der Türkei beantragen. Bevor dies gegen Ende des Jahres wieder geschehen könne, müsse die Angelegenheit "natürlich im Vorfeld politisch gelöst werden", sagte Ladstätter. Nachdem die Anordnung zur Einstellung vom türkischen Außenministerium gekommen sei, müsse man das Gespräch sicher auf dieser Ebene suchen.

Die vergangenen Tage seien für sie "emotional sehr schwierig" gewesen, sagte Ladstätter. Sie hätten aber auch gezeigt, "wie stark das Grabungsteam hier integriert ist und dass mein Weg der intensiven Zusammenarbeit türkischer und österreichischer Kollegen auf einer internationalen Basis der richtige ist". Diesen Weg müsse man weitergehen und nun "einfach durchtauchen".

Rund ein Dutzend Mitarbeiter des ÖAI sowie Forscher aus anderen Ländern, die in Ephesos tätig sind, seien von der Entscheidung betroffen und haben laut Akademie die Heimreise angetreten. "Durch das nahe Saisonende halten sich die Auswirkungen in Grenzen", sagte Ladstätter.

Schutzmaßnahmen für den Winter

Mit Ende August hätten ohnehin alle Grabungen aufgehört. Weil es dafür im Sommer zu heiß und zu trocken sei, würden aber im Herbst üblicherweise die Restaurierungsprojekte einsetzen. Ladstätter will deshalb nun alles versuchen, dass alle notwendigen Schutzmaßnahmen getroffen werden, "damit die Monumente, die gerade in Bearbeitung sind, über den Winter kommen".

Das im Vorjahr zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte Ephesos ist eine der weltweit bedeutendsten archäologischen Forschungsstätten und eines der Flaggschiffe österreichischer Forschung im Ausland. Seit mehr als 120 Jahren werden die Grabungen – mit einzelnen Unterbrechungen – von österreichischen Archäologen geleitet. In der diesjährigen Grabungssaison konnten die österreichischen Forscher gemeinsam mit internationalen Kollegen u.a. eine spätantike Wohnanlage freilegen sowie zahlreiche gefährdete Mosaike restaurieren.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass diplomatische Spannungen die Grabungsarbeiten in Ephesos beeinträchtigen: Im Jahr 1908 verweigerte das Osmanische Reich vorübergehend die Lizenzen für die 1895 gestarteten Arbeiten österreichischer Archäologen aus Protest gegen die Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn. (APA, 5. 9. 2016)