Hamburg – Der deutsche Bundesnachrichtendienst steht im Verdacht, bei Abhöraktionen systematisch gegen Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen zu haben: Die TV-Sender "NDR" und "WDR" und die Süddeutsche Zeitung zitierten am Donnerstag aus einem geheimen Gutachten der deutschen Datenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff, wonach der BND "ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten erhoben und systematisch weiter verwendet" habe.

Die Gesetzesverstöße wögen nach Voßhoffs Ansicht so schwer, dass der BND weite Teile seiner Arbeit in der Überwachungsstation Bad Aibling einstellen müsse. "Nach geltendem Recht sind die in diesen Dateien gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen", zitierten die Sender aus Voßhoffs Gutachten.

Die Datenschutzbeauftragte hatte untersucht, wie der deutsche Auslandsgeheimdienst Telekommunikationsdaten überwacht. Ihr Bericht sei auf März datiert und liste auf 60 Seiten ausführlich auf, wie der BND systematisch und regelmäßig gegen Grundrechte verstoße, berichtete das Recherchenetzwerk.

Daten von Unbescholtenen gesammelt

Allein 30 Mal falle der Begriff "rechtswidrig" im Zusammenhang mit den Abhöraktionen des BND. Aus den Details des Berichts gehe hervor, dass der BND personenbezogene Daten erhebe, "die für seine Aufgabenerfüllung nicht erforderlich sind". So seien beispielsweise zu einer Zielperson "personenbezogene Daten von fünfzehn unbescholtenen Personen erfasst und gespeichert" worden .

Insgesamt listet Voßhoff demnach in ihrem Gutachten zwölf Rechtsverstöße in sieben Arbeitsfeldern auf. Als Rechtsverstoß werte die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete bereits, dass der BND ihre Untersuchungsarbeit erheblich behindert habe. "Der BND hat meine Kontrolle rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt. Eine umfassende, effiziente Kontrolle war mir daher nicht möglich", zitierten die Sender aus dem Gutachten. "Dies sind schwerwiegende Rechtsverstöße."

Behindert sah sich Voßhoff demnach auch bei ihren Prüfungen der sogenannten Selektoren – also jener Kriterien, nach denen der BND gezielt die Datenströme absucht. Dass der BND offenbar bei Abhöraktionen ungeprüft Selektorenlisten des US-Geheimdiensts NSA übernommen habe, sei ein "schwerwiegender Verstoß" gegen das BND-Gesetz. (APA, 2.9.2016)