Erst seit kurzem sollen auch Asylwerber Deutsch lernen. Die SPÖ will nun die Quartiergeber in die Pflicht nehmen – für diese sei das kaum machbar, sagen dazu Praktiker in der Flüchtlingsbetreuung.

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Wien – Christoph Riedl von der Diakonie kennt das unschöne Phänomen, das die Welle der Hilfsbereitschaft zur Bewältigung der Flüchtlingskrise auch mit sich gebracht und das Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) im STANDARD-Gespräch benannt hat: Dass es auf dem Land Quartiergeber für Asylwerber gibt, die in einer alten Pension oder einem ausgedienten Hotel eine große Anzahl an Menschen unterbringen – und die den Hilfsbedürftigen "nur ein paar Mal am Tag etwas zum Essen bei der Tür 'reinschieben", wie Riedl erzählt. Persönliche Betreuung? Fehlanzeige.

Kriegsgewinnler versus anständige Wirte

Riedl sagt auch: "Seit dem Vorjahr sind auch solche Unterkünfte auf dem Land wie die Schwammerln aus dem Boden geschossen. Es gibt Kriegsgewinnler, für die das nur ein Geschäft ist – wobei man sagen muss, dass es genauso anständige Wirte gibt, die sich um ihre Asylwerber sehr kümmern."

Doskozil will Quartiergeber in den heimischen Provinzen nun dazu verpflichten, für ihre Schützlinge, die mitunter monatelang ihr Verfahren abwarten müssen, Deutschkurse zu organisieren. "Für das Steuergeld", das die Pensionsbetreiber bekommen, müsse das möglich sein. Sonst gäbe es eben keinen Vertrag mehr.

Für Sobotka überlegenswert

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) findet den Vorstoß "sehr überlegenswert". Doch der Tagsatz für einen untergebrachten Asylwerber liegt in Österreich aktuell bei 21 Euro, bis vor kurzem waren es 19. Dafür ist neben dem Dach über dem Kopf auch Verpflegung zur Verfügung zu stellen. Ist Doskozils Forderung also berechtigt?

Riedl meint: "Nein." Denn die Organisation von Deutschkursen für Asylwerber auf dem Land sei schon für die NGOs, die gut vernetzt sind und selbst auferlegte höhere Standards bei denen von ihnen betriebenen Unterkünften einhalten, aufwendig. Aus seiner Sicht sollten einfach höhere und niedrigere Tagsätze – je nach Qualität – für die Quartiergeber bereitgestellt werden.

Im aktuellen SPÖ-Positionspapier zur Notverordnung tritt Doskozil auch für ein differenziertes Tagsatzmodell ein. Im Rahmen ihres Integrationspakets hat die Regierung beschlossen, dass auch Asylwerbern in der Grundversorgung, bei denen ein positiver Bescheid zu erwarten ist, nun ein Deutschkurs angeboten werden soll (anerkannten Flüchtlingen steht ein solcher zu). Dem Innenministerium wurden extra 16,5 Millionen Euro bereitgestellt für die Anbieter von Kursen, doch in der Praxis kann das in einigen ländlichen Gebieten noch dauern, bis ein Asylwerber zu seiner ersten Unterrichtsstunde kommt.

Vom Analphabeten bis zum Hochschulabsolventen

Sehr inhomogen seien oft die Gruppen in kleineren Gemeinden, erzählt die zuständige Tiroler Landesrätin Christine Baur von den Grünen: "Ein Analphabet braucht anderen Unterricht als ein Hochschulabsolvent, der schon mehrere Sprachen spricht." Tirol geht mit einer eigens beauftragten GmbH, die private Freiwillige wie pensionierte Deutschlehrer, NGOs, Gemeinden vernetzt hat, längst einen eigenen Weg, damit auch Menschen in den hintersten Tälern zu dem Angebot kommen. Baurs Fazit zu Doskoszils Vorstoß: "Dass es Deutsch auch für Asylwerber und dafür Geld geben soll, ist dem Minister anzurechnen. Aber für private Quartiergeber ist das unmöglich machbar." Auch Wiens Flüchtlingskoordinator Peter Hacker wies via APA das Ansinnen des Burgenländers zurück – dies sei mit den Zuwendungen der öffentlichen Stellen nicht finanzierbar.

Und Klaus Schwertner von der Caritas hält in Bezug auf Doskozils Ansinnen fest: "Es gibt keinen Sozialbereich, der so schlecht finanziert ist wie die Flüchtlingshilfe, daher ist es absurd, einen Wirt oder Pensionsbetreiber zum Bereitstellen von Deutschkursen zu zwingen und diese Aufgabe der Zivilgesellschaft umzuhängen." Sein Appell an die Regierung: "Nicht täglich einen neuen Vorschlag propagieren, der nur für Schlagzeilen sorgt." (Nina Weißensteiner, 1.9.2016)