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Österreich bestimmt nicht nur mit, welche Spielregeln in Europa gelten, es muss sich auch selbst an diese Spielregeln halten. Doch nicht immer scheint das reibungslos zu funktionieren, wie drei aktuelle Vorhaben im Flüchtlingsbereich zeigen.

Ein Beispiel dafür sind die umstrittenen Asylobergrenzen. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Koen Lenaerts, stellte wiederholt klar, dass Obergrenzen nicht europarechtskonform sein können. Zwar versucht die Bundesregierung, diese Schranken durch den juristischen Kniff der "Notverordnung" zu umschiffen, doch sind Juristen überwiegend skeptisch, dass der EuGH das so hinnehmen wird.

Problematische Rückschiebungen

"Es gibt gleich mehrere Gründe, warum das EU-rechtswidrig und verfassungswidrig ist", sagt etwa Hannes Tretter vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte. Er verweist auf die stark eingeschränkte Möglichkeit der Asylsuchenden, sich gegen Rückschiebungen zu wehren. Auch der auf Fremdenrecht spezialisierte Rechtsprofessor Gerhard Muzak von der Uni Wien meint, dass "der mangelnde Rechtsschutz sicher das Kernproblem dieser Regelung ist".

Ein weiteres Beispiel ist die vieldebattierte Mindestsicherungskürzung. Das Land Oberösterreich ist hier ja bereits vorgeprescht, bundesweit schwebt der ÖVP eine Wartefrist vor: Ausländer haben demnach unter bestimmten Bedingungen erst nach fünf Jahren das Recht, die volle Mindestsicherung zu beziehen. Überlegt wird auch, die Mindestsicherung zu kürzen, falls bestimmte Auflagen nicht erfüllt werden – etwa die Pflicht, einen Deutschkurs zu besuchen.

Gegen Diskriminierung

Doch auch hier spießt es sich gewaltig mit EU-Normen. Laut Qualifikationsrichtlinie sind Asylberechtigte den Staatsangehörigen des jeweiligen Landes in puncto Sozialhilfe gleichgestellt. Österreich darf eine fünfjährige Wartefrist, die nur oder auch für Flüchtlinge gilt, also keinesfalls einführen. Sollte sie für Drittstaatsangehörige gelten, ergeben sich ebenfalls rechtliche Probleme. Theoretisch möglich wären Kürzungen oder Wartefristen für alle Mindestsicherungsbezieher – ob sich die rot-schwarze Koalition darauf einigen kann, ist jedoch fraglich, Sozialrechtler Walter Pfeil hält das Modell zudem für verfassungswidrig.

Schwer mit EU-Recht vereinbar ist auch die sogenannte Residenzpflicht, die seit kurzem ebenfalls von ÖVP und SPÖ auf Bundesebene gutgeheißen wird. Die Idee: Flüchtlinge, die Mindestsicherung beziehen, sollen verpflichtet werden, sich in dem Bezirk niederzulassen, wo sie schon während des Asylverfahrens gelebt haben. Der Grund: Viele Flüchtlinge drängen nach Wien, weil sie sich erwarten, dort am ehesten einen Job zu finden oder weil dort bereits Bekannte leben, und dieser Zustrom belastet das Wiener Sozialbudget. So weit die Idee – die gesetzeskonforme Umsetzung dürfte schwierig werden: Österreich darf Flüchtlinge nicht davon abhalten, sich auf Bundesgebiet frei niederzulassen, da die Genfer Flüchtlingskonvention ihnen Freizügigkeit zusichert.

Erst im vergangenen März hat der EuGH dies noch einmal bekräftigt. Die Argumentation: Es mag für eine Gebietskörperschaft belastend sein, wenn auf ihrem Terrain viele Mindestsicherungsbezieher leben. Aber belastend ist es unabhängig davon, ob ein Mensch geflüchtet oder hier geboren ist – arm ist arm. Daher kann auch eine noch so hohe Belastung eines Bundeslandes nicht die Diskriminierung von Flüchtlingen rechtfertigen.

Schwieriger Nachweis

Laut dem EU-Rechtsexperten Johannes Peyrl von der Arbeiterkammer Wien hätte Österreich nur eine Möglichkeit, eine Residenzpflicht – also etwa die Verpflichtung, sich außerhalb Wiens niederzulassen – zu argumentieren: Der Gesetzgeber muss "nachweisen, dass die Integration am Land besser gelingt als in Wien", so Peyrl. Doch das könnte schwierig werden: Gibt es in der betreffenden Gemeinde zwar Integrationsprojekte und Deutschkurse, aber keine Jobs, wird der Nachweis problematisch. Gleiches gilt, wenn es zwar, wie beispielsweise in Tourismusgegenden, ausreichend Jobs gebe, aber einen unzureichenden Zugang zu Sprachkursen, wie das in ländlichen Gegenden oft der Fall ist. (Maria Sterkl, 31.8.2016)