Die Milchstraße während ihrer aktiven Phase vor sechs Millionen Jahren. Millionen Grad heißes Gas, das damals nach außen getrieben wurde und heute einen "Nebel" in 20.000 Lichtjahren Distanz zum Galaxienzentrum bildet, könnte ein Teil der vermissten Milchstraßenmasse sein.

Illustr.: Mark A. Garlick/CfA

Cambridge – Momentan gibt das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße weitgehend Ruhe – doch das war nicht immer so: Während sich der Schwerkraftgigant heute nur ab und zu kleinere Wolken aus Wasserstoffgas einverleibt, präsentierte er sich vor rund 6 Millionen Jahren äußerst aktiv, wie eine aktuelle Studie nun belegt: Zu jener Zeit, als die ersten menschlichen Vorfahren aus der Gruppe der Hominini die Erde zu erobern begannen, hat das Sagittarius A* genannte Schwarze Loch offenbar einige gewaltige Materie-Happen verschlungen und dabei enorme Energien freigesetzt.

Nach aktuellem Kenntnisstand ist unsere Heimatgalaxie 1 bis 2 Billionen Sonnenmassen schwer. Nur rund 16 Prozent davon, also 150 bis 300 Milliarden Sonnenmassen, bestehen aus sichtbarer, sogenannter baryonischer Materie. Das ergaben inzwischen mehrfach bestätigte Beobachtungen und Berechnungen. Der Rest ist Dunkle Materie, die sich nur durch ihre gravitative Wechselwirkung bemerkbar macht.

Zum Leidwesen der Astronomen ergibt die Summe aller Sterne, Gaswolken und Staubansammlungen unserer Milchstraße nur rund 65 Milliarden Sonnenmassen. Wo die übrigen bis zu 235 Milliarden Sonnenmassen stecken, ist vorerst noch ein Rätsel. Einen kleinen Baustein zur Lösung des Mysteriums haben nun Forscher um Fabrizio Nicastro vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in Cambridge (Massachusetts) beigetragen.

Heiße Gaswolken verraten Ausbrüche

Mit Hilfe des Röntgenteleskops XMM-Newton der Nasa entdeckten die Forscher mehrere Millionen Grad heiße Gaswolken, die vor sechs Millionen Jahren vom Zentrum der Galaxie nach außen geschleudert wurden und mittlerweile zwei Drittel des Weges zwischen Milchstraßenzentrum und unserem Sonnensystem zurückgelegt haben. Im "Astrophysical Journal" veröffentlichte Simulationen zeigten, dass diese Materiewolken, die aufgrund ihrer hohen Temperaturen bisher nicht erkannt worden waren, auf massive Ausbrüche des zentralen Schwarzen Loches zurückzuführen sind.

Zusätzlich untermauert werden diese Ausbrüche von sechs Millionen Jahre alten Sternen, die sich in der Umgebung von Sagittarius A* aus Gaswolken gebildet haben, die damals in Richtung Schwarzes Loch gesogen wurden und die Strahleneruptionen ausgelöst haben. Das festgestellte heiße Gas umfasst etwa 130 Milliarden Sonnenmassen, könnte also einen bedeutenden Anteil der verschollenen Galaxienmasse ausmachen, meinen die Wissenschafter. (red, 5.8.2016)