Feuerwehrleute in Rio bei Amatrice.

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Ascoli Piceno / Arquata del Tronto – Die für Dienstag geplante "Begräbnisfeier ohne Leichen" für die Erdbebenopfer von Amatrice und Accumoli ist verschoben worden. Die Trauerzeremonie soll nicht auf dem Flughafen der Stadt Rieti stattfinden, wie ursprünglich geplant, sondern in Amatrice, sagte Premierminister Matteo Renzi. Das neue Datum muss noch festgelegt werden.

Die Verschiebung erfolgte, nachdem Bewohner Amatrices dagegen protestiert hatten, dass die Trauerfeier in Rieti – 45 Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens entfernt – abgehalten werden sollte. Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, hatte zuvor beklagt, nach dem Beben stehe keine einzige Kirche mehr in Amatrice, also müsse die Zeremonie im Freien stattfinden. An dem Begräbnis wollten auch Renzi und Staatschef Sergio Mattarella teilnehmen.

30 Opfer noch nicht identifiziert

Die Leiche einer Frau ist aus den Trümmern des eingestürzten Hotels Roma in Amatrice, dem Epizentrum des schweren Erdbebens in Mittelitalien, geborgen worden. Die Frau starb unter den Trümmern in einem Zimmer im ersten Stock des Hotels. Damit stieg die Opferzahl der Katastrophe auf 292. Zwei weitere Personen wurden unter den Trümmern lokalisiert. Die Bergung gestaltet sich jedoch schwierig, wie italienische Medien berichteten. Zehn Personen werden in Amatrice noch vermisst. 30 Opfer konnten noch nicht identifiziert werden – viele Urlauber hatten sich zur Zeit des Bebens in der Nacht auf Mittwoch in der Berggemeinde Amatrice aufgehalten, wo die meisten Opfer gemeldet wurden.

Höchstens vier Wochen in Zeltlagern

Die italienische Regierung versprach, dass in einem Monat alle Obdachlosen eine Unterkunft haben werden. Die Obdachlosen sollen in Holzbungalows untergebracht werden. Niemand solle länger als vier Wochen in den Zeltlagern übernachten müssen, verlautete aus Regierungskreisen. Im kommenden Frühjahr soll mit dem Wiederaufbau der betroffenen Gemeinden begonnen werden. Das Kabinett versprach Finanzierungen in Höhe von drei Milliarden Euro pro Jahr, um die Anpassung der Immobilien in Italien an modernste antiseismische Standards zu fördern.

Der Wiederaufbau könnte bis zu zehn Milliarden Euro kosten. Dies geht aus ersten Schätzungen der Regierung hervor, die an einen groß angelegten Plan zur Konsolidierung der Immobilien in erdbebengefährdeten Regionen denkt. 70 Prozent der Immobilien entspricht nicht antiseismischen Standards, berichteten Medien.

Gefahr eines Eindringens der Mafia

Premier Matteo Renzi versicherte, dass der Wiederaufbau zügig voranschreiten und allen Transparenzkriterien entsprechen werde. Der italienische Senatspräsident und ehemalige Mafia-Jäger Pietro Grasso warnte vor der Gefahr, dass die Mafia versuchen könnte, mit dem Wiederaufbau lukrative Geschäfte zu machen. Überall, wo es große Investitionen gebe, bestehe die Gefahr eines Eindringens der Mafia.

Grasso sprach sich für die Veröffentlichung einer "weißen Liste" von Baugesellschaften aus, die jeglichen Kontakt zur organisierten Kriminalität ablehnen. Auch Ermittler weisen auf die Gefahr hin, dass mit Mafia-Clans verbundene Baugesellschaften beim Wiederaufbau der mittelitalienischen Region aktiv mitmischen.

Ermittelt wird indes wegen der Volksschule von Amatrice, Epizentrum des Erdbebens. Die Schule war 2012 als "erdbebensicher" renoviert worden, sie stürzte jedoch zum Großteil beim Erdbeben am Mittwoch ein. 700.000 Euro wurden für die Renovierungsarbeiten ausgegeben. Der Bauunternehmer, der für die Renovierung der Schule durchgeführt hatte, wies die Vorwürfe zurück.

Wiederaufbau neuer Häuser

Premier Matteo Renzi nahm Kontakt zum Stararchitekten Renzo Piano auf, der als Senator auf Lebenszeit im italienischen Parlament sitzt. Piano soll der Regierung beim Wiederaufbau des Erdbebengebiets mit Ratschlägen zur Seite stehen. Im Laufe der Woche soll ein Regierungskommissar für den Wiederaufbau ernannt werden.

"Erstmals in der Geschichte werden wir neue Häuser neben den eingestürzten Gebäuden bauen. Wir wollen, dass unsere Gemeinde nicht ihre Identität verliert", sagte der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi. Wichtig sei der Wiederaufbau der Kirche des heiligen Augustin, der Basilika und des Rathausturms, des Wahrzeichens der Kleinstadt.

Das Erdbeben hat eine Welle der Solidarität ausgelöst. Über sechs Millionen Euro wurden in Italien bereits als Spenden per SMS gesammelt. Auch Queen Elizabeth habe für die Erdbebenopfer gespendet. Beim Erdbeben in Amatrice kamen drei Briten ums Leben. Auch Stars mit italienischen Wurzeln wie Madonna und Bruce Springsteen riefen zu Spenden auf.

In der Nacht auf Montag wurden 19 Nachbeben in der Erdbebenregion gemeldet, das stärkste mit Magnitude 3,5. Seit dem verheerenden Erdbeben mit Magnitude 6,0 in der Nacht auf Mittwoch wurden mehr als 2.000 Nachbeben verzeichnet, teilten die italienischen Behörden mit.

EU signalisiert Bereitschaft

Inzwischen signalisierte die EU Bereitschaft, Italien eine Lockerung der Stabilitätskriterien zu gewähren. So könnten zusätzliche Gelder in die Erdbebensicherung von Gebäuden fließen. Italien müsse jedoch konkrete Garantien für einen Plan zur Vorbeugung von Schäden durch Beben geben. "Der Wiederaufbau muss bestmöglich erfolgen. Wir befinden uns aber noch in der Notstandsphase. Der Herbst beginnt bald, und wir müssen allen Obdachlosen eine angemessene Unterkunft garantieren", sagte Italiens Infrastrukturminister Graziano Delrio.

600 Euro im Monat soll nach Angaben der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" jede Obdachlosenfamilie erhalten, deren Wohnung beim Erdbeben zerstört wurde. Wenn in der Familien Behinderte lebten, sollen zusätzliche 200 Euro gewährt werden. Für die erste Notstandsphase hat die Regierung am Donnerstag 50 Millionen Euro locker gemacht. (APA, red, 29.8.2016)