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Türkische Streitkräfte stoßen weiter nach Nordsyrien vor.

Foto: REUTERS / Umit Bektas

Damaskus/Diyarbakir/Genf – Kurdische Kämpfer bereiten sich angesichts des Vorrückens protürkischer Rebellen offenbar auf Gefechte um die strategisch wichtige Stadt Manbij in Syrien vor. Derzeit werde die erst kürzlich von der Extremistenmiliz IS eroberte Stadt von örtlichen Rebellengruppen aufgerüstet, sagte ein Kurdensprechers am Montag. Die Kurdenmiliz YPG sei daran aber nicht beteiligt, die bleibe östlich des Euphrat.

Aus Sicherheitskreisen hatte es zuvor geheißen, YPG-Kämpfer brächten Waffen und Personal in die Stadt. Der Sprecher der syrischen YPG sagte hingegen der Nachrichtenagentur Reuters, dass es keinerlei militärische Aufrüstung seitens der YPG gebe und die Türkei das nur als Vorwand nutze, um syrische Gebiete zu besetzen.

Manbij liegt am Westufer des Euphrat. Erst vor wenigen Tagen hatten syrische Rebellen mit Unterstützung der USA die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" aus der Stadt vertrieben. An der Operation war auch die YPG beteiligt. Am Sonntag hatte ein Kommandeur der von der Türkei unterstützten Rebellengruppen gesagt, Kämpfer rückten auf die Stadt vor, um sie den Kurden wieder abzunehmen.

Wie ein türkischer Armeeangehöriger am Montag berichtete, haben die türkischen Streitkräfte in den letzten 24 Stunden zudem rund 16 Militärziele angegriffen.

Dutzende Zivilisten getötet

Im Zuge der türkischen Bodenoffensive kamen am Sonntag außerdem dutzende Zivilisten ums Leben. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei Angriffen auf zwei Dörfer mindestens 40 Zivilisten getötet, ein Kurdenvertreter sprach von 75 Toten. Die türkische Regierung erklärte dagegen, es seien 25 kurdische Kämpfer getötet worden. Die Armee tue alles, um zivile Opfer zu vermeiden.

Nach Erkenntnissen der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle konnte die türkische Allianz die beiden Dörfer Jub al-Kousa und Al-Amarna einnehmen. Man habe dabei gegen Rebellen gekämpft, die dem SDF-Bündnis nahestehen, in dem die Kurden eine wichtige Rolle spielen. Das Vorgehen der Türkei in Syrien ist heikel, weil die USA die SDF-Allianz im Kampf gegen den IS unterstützen.

Çavuşoğlu wirft YPG ethnische Säuberungen vor

Die beiden angegriffenen Orte liegen wenige Kilometer südlich des Grenzorts Jarablus, den protürkische Rebellen am Mittwoch mithilfe der türkischen Armee vom IS zurückerobert hatten. Die Türkei hatte am selben Tag ihre Offensive "Schutzschild Euphrat" gegen den IS in Syrien gestartet.

Der türkische Einsatz richtet sich auch gegen die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihren bewaffneten Arm, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). Die türkische Regierung betrachtet sie als syrischen Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und somit ebenfalls als Terrororganisationen.

Die Türkei will eine Ausweitung des Kurdengebiets entlang ihrer Grenze verhindern und wirft der YPG vor, sich nach ihrem Vormarsch nicht wie versprochen wieder hinter den Euphrat zurückgezogen zu haben. Die Türkei befürchtet, dass ansonsten kurdische Aufständische im eigenen Land erstarken. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf der YPG zudem am Montag vor, ethnische Säuberungen in Nordsyrien zu betreiben, und forderte einen sofortigen Rückzug aus dem Gebiet westlich des Euphrat.

Erdoğan fordert Entschlossenheit gegen Kurden

Als die türkischen Panzer am Samstag weiter in Richtung Amarneh vordrangen, kam es erstmals zu Gefechten mit kurdischen Rebellen und deren örtlichen Verbündeten. Dabei wurden nach Angaben türkischer Medien zwei Panzer von Raketen getroffen, ein türkischer Soldat wurde getötet. Als Reaktion flog die Luftwaffe erstmals seit Beginn der Offensive Angriffe auf kurdische Stellungen in der Region.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte am Sonntag, die Türkei werde alles tun, um den IS aus Syrien zu vertreiben, und habe "dieselbe Entschlossenheit" gegen die PYD. "Wir werden keinerlei terroristische Aktivitäten an oder in der Nähe unserer Grenzen dulden", erklärte er bei einer Rede in Gaziantep im Südosten der Türkei. Dort waren bei einem Anschlag auf eine Hochzeit am Wochenende davor mehr als 50 Menschen getötet worden. Der Türkei zufolge trägt der Anschlag die Handschrift des IS.

USA kritisieren Situation – "Inakzeptabel"

Die türkische Offensive verkompliziert die Lage im Syrien-Konflikt, in dem die Uno, Russland und die USA bisher vergeblich um eine Lösung ringen. Die USA sehen in der YPG einen verbündeten im Kampf gegen den IS. Am Freitagabend einigten sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow grundsätzlich auf Schritte zu einer Waffenruhe in Syrien.

Brett McGurk, der Sondergesandte der USA im Kampf gegen den IS, hat die Zusammenstöße zwischen der Türkei und Oppositionsgruppen in Nordsyrien scharf kritisiert. Er nannte den Status quo inakzeptabel und rief alle Beteiligten dazu auf, die Waffen gegeneinander ruhen zu lassen und sich auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren. (APA, Reuters, red, 29.8.2016)