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Das Hotel Roma in Amatrice wurde bei dem Beben zerstört.

Foto: REUTERS / Ciro De Luca

Ascoli Piceno – Mindestens zehn Personen werden nach dem Erdbeben in Italien noch in Amatrice – Epizentrum des Erdbebens – vermisst. Der Zivilschutz geht mittlerweile von 291 Toten aus. 231 Todesopfer wurden in der Bergortschaft Amatrice gemeldet. Weitere elf Menschen kamen im Dorf Accumoli und 49 in Arquata ums Leben. 388 Menschen wurden bei dem schweren Erdbeben verletzt, 2.500 sind obdachlos. Das Beben ist damit ähnlich verheerend wie jenes von L'Aquila im April 2009. Damals kamen mehr als 300 Menschen ums Leben.

Feuerwehrmannschaften in Amatrice haben am Sonntag begonnen, die zerstörten Gebäude abzureißen. Jedes zweite Haus sei schwer beschädigt worden, berichteten die Behörden. Befürchtet wird auch, dass der Rathausturm sowie die aus dem 15. Jahrhundert stammende Kirche des Heiligen Augustinus einstürzen könnten.

Bürgermeister fordert Abriss

Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, forderte, dass der Stadtkern komplett abgerissen und neu aufgebaut werde, wie es bereits bei den vom Erdbeben 1976 in Friaul beschädigten Gemeinden der Fall gewesen war. Pirozzi äußerte die Hoffnung, dass die Bevölkerung die zerstörte Ortschaft nicht verlassen werde.

Die Staatsanwaltschaft in den verwüsteten Regionen leitete Ermittlungen wegen möglicher Schlamperei im Bau ein. In der Provinz Rieti soll etwa untersucht werden, ob gegen Bauvorschriften verstoßen wurde. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Volksschule von Amatrice. Sie war 2012 renoviert und als bebensicher erklärt worden, stürzte jedoch beim Erdbeben in der Nacht auf Mittwoch fast komplett ein.

Auch die Staatsanwaltschaft in der Provinz Ascoli Piceno ermittelt wegen Fahrlässigkeit. Untersucht werden soll unter anderem, wer für den Bau, Wiederaufbau oder die Erdbebensicherung der Wohngebäude zuständig war. Ein Teil des betroffenen Gebiets war bereits 1997 bei einem Beben in Mitleidenschaft gezogen worden.

Über sechs Millionen Euro gespendet

Das Erdbeben in Mittelitalien löste indes eine Welle der Solidarität aus. Über sechs Millionen Euro wurden in Italien bereits als Spenden per SMS gesammelt. Auch Queen Elizabeth habe für die Erdbebenopfer gespendet. Beim Erdbeben in Amatrice kamen drei Briten ums Leben. Auch Stars mit italienischen Wurzeln wie Madonna und Bruce Springsteen riefen zu Spenden auf.

Seit dem schwersten Erdstoß einer Stärke von mehr als 6 in der Nacht auf Mittwoch verzeichneten die Behörden circa 1.300 weitere Beben, was die Rettung erschwerte. Das Erdbeben hatte ganze Dörfer der Regionen Latium und in den Marken dem Erdboden gleichgemacht. Die Retter suchten auch in der Nacht weiter nach Überlebenden in den zerstörten Gemeinden.

Ausnahme von EU-Stabilitätskriterien

Die Regierung in Italien hat von der EU eine Lockerung der Stabilitätskriterien verlangt. So könnten zusätzliche Gelder in die Erdbebensicherung von Gebäuden fließen. Der Wiederaufbau in den Erdbebengebieten könnte nach Einschätzung von Fachleuten Milliarden Euro kosten und Jahre dauern. Außerdem entsprechen nach Berechnungen des Nationalen Ingenieurrats mehr als 50 Prozent der Privatwohnungen nicht den vorgegebenen Sicherheitsbestimmungen. Die Erdbebensicherung von Wohngebäuden in den am meisten gefährdeten Gegenden allein könnte demnach bis zu 36 Milliarden Euro kosten.

In den EU-Defizitregeln gibt es bereits Ausnahmen bei Naturkatastrophen und Wiederaufbau. Die Regierung in Rom will nun um eine Ausweitung der Regeln auf die präventive Erdbebensicherung bitten, sagte Claudio De Vincenti, Staatssekretär im Amt von Regierungschef Matteo Renzi, in einem Interview der Tageszeitung "Il Messagero". Es handle sich um einen Schritt, den Europa tun müsse.

Papst will Erdbebengebiet besuchen

Papst Franziskus hat beim Angelus-Gebet am Sonntag in Rom seine Nähe zu der vom Erdbeben in Mittelitalien betroffenen Bevölkerungen ausgedrückt. Er äußerte seinen Wunsch, bald das Erdbebengebiet zwischen den Regionen Latium und Marken zu besuchen, um "als Vater und Bruder" seinen Trost zu bringen.

"Die Kirche teilt Eure Sorgen und Euer Leid", sagte der Papst den Betroffenen in der Erdbebenregion. Er bete für die Toten, für die Überlebenden und für die Rettungsmannschaften. Die Fürsorge der Rettungsmannschaften bezeuge wie wichtig Solidarität zur Überwindung derart schmerzhaften Ereignisse sei, sagte der Papst. Er rief die auf dem Petersplatz versammelten Pilgern auf, für die Erdbebenopfer zu beten. (APA, red, 28.8.2016)