Das letzte Foto von Ludwig II., aufgenommen um den 17. Juni 1886.

Foto: gemeinfrei

München – Der Bayern-König Ludwig II. war zweifellos eine schillernde Figur. Das Volk verklärte ihn unter anderem wegen seiner phantasievollen Bautätigkeit – etwa Neuschwanstein – zum märchenhaften Monarchen. Doch gegen Ende seiner Regierungszeit zog sich der König immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, während zugleich seine finanzielle Situation entgleiste. Als das bayrische Kabinett Ludwig im April 1886 die Bürgschaft für einen Millionen-Kredit verweigerte, dürfte der Entschluss zu seiner Entmündigung gefallen sein, die wenige Monate später erfolgte. Ärzte attestierten, der König sei "unheilbar seelengestört".

Nun wurde anlässlich des 171. Geburtstages des Königs ein Schreiben präsentiert, das als der letzte von Ludwig II. verfassten Brief gilt und der Öffentlichkeit bisher unbekannt war. Das Dokument nährt Zweifel an der Theorie vom verrückten "Kini". Demnach ist der Brief vom 10. Juni 1886 an Ludwigs Vetter Prinz Ludwig Ferdinand gerichtet – der "vermutlich letzte eigenhändige Brief des Monarchen", wie die "Welt" schreibt.

Besondere Bedeutung erhält der Brief, weil er belege, dass sich der König offenbar kurz zuvor auf dramatische Weise über die ihm drohende Gefahr klar geworden war: Die offizielle Entmündigung war am 9. Juni von der Regierung beschlossen worden. Noch am selben Abend tauchte eine Kommission in Neuschwanstein auf, um ihn festzusetzen . Ludwig II. ließ sie jedoch verhaften und unverrichteter Dinge nach München zurückschicken. Kurz darauf dürfte er den Brief verfasst haben.

"Schändliche Verschwörung"

Darin schreibt Ludwig an seinen Vetter unter anderem, er sehe eine "schändliche Verschwörung! Wer kann nur hinter einem solchen Verbrechen stecken, Prz. Luitpold vermuthlich." Und weiter: "Wie kann aber eine solche Infamitität nur möglich sein!!" Ludwig erwähnt darin auch die verbreiteten Gerüchte um seinen Gesundheitszustand ("angebliche Krankheit"), "an der nicht Sylbe wahr ist".

Vier Tage später, am 13. Juni, ertrank der König gemeinsam mit seinem behandelnden Arzt, Bernhard von Gudden, im Starnberger See. Um die Umstände seines Todes – ob es Suizid war oder nicht – ranken sich viele Spekulationen.


Der Brief im Wortlaut, transkribiert von den Historikern Gerhard Immler und Rupert Hacker:

König Ludwig II. an seinen Vetter Prinz Ludwig Ferdinand

am 10. Juni 1886 aus Schloss Neuschwanstein

Theuerster Vetter!

Vergib die schlechte Schrift, ich schreibe dieß in höchster Eile. Denke Dir was Unerhörtes heute geschehen ist!! – Diese Nacht kam eilends einer vom Stallgebäude herauf u. meldete, es wären mehrere Menschen (darunter horribile dictu) ein Minister u. eine meiner Hofchargen in aller Stille angekommen, befahlen meinen Wagen u. Pferde hier (von der oberen Burg) wegzunehmen hinter meinem Rücken, u. wollten mich zwingen nach Linderhof zu fahren, offenbar u. mich dort gefangen zu halten, u. Gott weiß was wohl zu thun, Abdankung zu ertrotzen kurz ein schändliche Verschwörung! Wer kann nur hinter einem solchen Verbrechen stecken, Prz. Luitpold vermuthlich.

Durch Gensdarme u. Feuerwehr, die sich tapfer entgegenstemmen war dieß vorläufig vereitelt. Die Schand-Rebellen wurden arretirt. Behalte dieß Alles bitte vorläufig für Dich. Wie kann aber eine solche Infamitität nur möglich sein!! Bitte forsche selbst u. durch Andere Verlässliche darauf!

Hättest Du so etwas für möglich! gehalten. Schon früher schrieb ich Dir daß ich über absichtlich mit Geld herumgestreute Gerüchte über mich (angebliche Krankheit) an der nicht Sylbe wahr ist p) gehört habe. Es ist zu arg. Es muß Licht in diesen Abgrund von Bosheit kommen! In felsenfestem Vertrauen i. inniger Liebe

Dein

Hohenschw. getreuer Vetter

10. Juni 86 Ludwig

[Ergänzung mit Bleistift:] Dieser Abschaum von Bosheit mich nächtlich überfallen u. gefangen nehmen zu wollen!!!

(red, APA, 26.8.2016)