Um die Gefahr einer deflationären Spirale nach unten für Preise und Wachstum zu vermeiden, hat das Eurosystem 2015 den Ankauf von Staatsanleihen, Agencies, Pfandbriefen und Asset-backed-Wertpapieren beschlossen, zunächst um 60 Milliarden Euro im Monat, heuer wurde es auf 80 Milliarden Euro im Monat erhöht. Dadurch werden die langfristigen Zinsen gesenkt, der Zugang der Wirtschaft zu Krediten wird verbilligt, und damit werden die Investitionen gefördert. Das Ziel ist, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln und damit die Inflationsrate mittelfristig wieder auf den Zielwert von knapp unter zwei Prozent zu bringen.

Was in der Öffentlichkeit zu wenig beachtet wird, ist, dass das Eurosystem neben Staatsanleihen auch Anleihen einer Vielzahl von Agencies ankauft, die im Bereich der öffentlichen Infrastruktur tätig sind. Diese reichen von Bahn-, Straßen- bis hin zu Wohnbaugesellschaften. Von der Oesterreichischen Nationalbank werden die Asfinag und die ÖBB-Infrastruktur AG angekauft.

Damit werden vom Eurosystem direkt die Infrastrukturinvestitionen gefördert, der Umweg über das Bankensystem wird nicht gegangen. Ein Ausbau der Infrastruktur hat gerade in der derzeitigen Phase mit unterausgelasteten Kapazitäten einen hohen Fiskalmultiplikator. Der IWF hat in seinem "World Economic Outlook" im Herbst 2014 festgestellt, dass öffentliche Infrastrukturinvestitionen das Wirtschaftswachstum kurz- und langfristig erhöhen – besonders in Zeiten hoher Reservekapazitäten in der Volkswirtschaft. Sogar schuldenfinanzierte Projekte steigern über den Fiskalmultiplikator das Wachstum stark, und auch die Staatsschuldenquote steigt dadurch nicht, wenn die Projekte effizient sind.

Der Multiplikator für Fiskalpolitik ist besonders wirksam, wenn die Geldpolitik wegen Erreichen der Nullzinsgrenze nicht mehr voll handlungsfähig ist. Die US-Notenbank Federal Reserve kommt auf Multiplikatoren zwischen 1,1 und 2,5, wodurch die Fiskalpolitik das Wachstum wirksam ankurbeln kann und im günstigsten Fall der BIP-Anstieg den Schuldenanstieg überkompensiert, sodass die Staatsschulden in Relation zum BIP sogar sinken.

In einer Metastudie, in der insgesamt 89 Studien über Multiplikatoreneffekte untersucht wurden, ergab sich für öffentliche Investitionen der höchste Multiplikator von 1,2. Gerade in einer Phase ökonomischer Unterauslastung, wie sie derzeit gegeben ist, sind sogar noch höhere Multiplikatoren zu erwarten. Auch die EU-Kommission kommt zum Schluss, dass in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Fiskalmultiplikatoren höher sind, wobei diese auf der Ausgabenseite zwei- bis dreimal höher sind als auf der Einnahmenseite.

Öffentliche Infrastrukturinvestitionen sind daher besonders wachstumswirksam. Dies gilt besonders für Österreich, wo die Bauwirtschaft unterausgelastet ist. Österreich sollte die derzeitige Niedrigzinsphase nutzen, um seinen Infrastrukturausbau signifikant zu beschleunigen. Es könnte damit sein Wachstum signifikant steigern und damit die Arbeitslosigkeit senken.

Durch Zweckgesellschaften mit Bundeshaftung könnte außerbudgetär zusätzliche Infrastruktur finanziert werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass ausreichend Einnahmen erzielt werden, um langfristig eine Schuldentilgung zu gewährleisten. Dadurch würde kurz- und mittelfristig durch Infrastrukturinvestitionen die Inlandsnachfrage angekurbelt und langfristig durch bessere Infrastruktur der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt.

Mit dem Asfinag-Modell – Aktiengesellschaft im Staatseigentum mit Staatsgarantie für ihre Schulden – besteht in Österreich ein bewährtes Modell für die Infrastrukturfinanzierung. Sie wird, weil sie sich durch Nutzergebühren vollständig finanziert, dem privaten Sektor zugerechnet. Dadurch erfolgte der Übergang von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung für die Autobahnen. Es vereint die Vorteile des öffentlichen Sektors (niedrige Finanzierungskosten) mit jenen des privaten Sektors (höhere Effizienz). Es ist gerechter, effizienter und kann auch antizyklisch eingesetzt werden.

Als wirtschaftspolitischer Berater der Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger war ich an der Gestaltung des Asfinag-Modells beteiligt. Im November 2014 stellte ich das Modell in Berlin im Wirtschaftsministerium in der Expertenkommission "BMWI-Investitionsstrategie – Infrastruktur" vor. In der folgenden intensiven Diskussion zeigte sich, dass das österreichische – niedrigere Finanzierungskosten, niedrigere Transaktionskosten, weil nicht für einzelne Strecken aufwändige Verträge erforderlich sind, besserer Risikoausgleich durch den Betrieb des gesamten Netzes, mehr Wettbewerb, weil nicht nur wenige große Baufirmen bauen können – dem deutschen Model der Public Private Partnerships (PPP-Modell) überlegen ist.

Die Expertenkommission hat daher im April 2015 vorgeschlagen, eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für Deutschland zu schaffen. Vizekanzler Gabriel und Finanzminister Schäuble haben den Vorschlag übernommen und wollen eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft gründen. Die Umsetzung wird jedoch von den Ländern blockiert. Zuletzt drängte Schäuble die Länder Anfang Juni 2016, am Tag der Bauindustrie, ihre Blockade aufzugeben und einer nationalen Autobahngesellschaft zuzustimmen.

Eine Anwendung dieses Modells ist auch für die Finanzierung des Ausbaus anderer Infrastrukturbereiche wie Energie- und Telekomnetze sowie den Wohnbau möglich. Insbesondere der Ausbau der schnellen digitalen Telekomnetze wird international als ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor gesehen. Dadurch könnten durch die billigeren Finanzierungskosten auch die Netzentgelte bzw. durch das höhere Angebot die Wohnungskosten gesenkt werden. Damit könnte auch die Inflation gedämpft werden.

Österreich braucht nach den niedrigen Wachstumsraten der letzten Jahre eine Wachstumspolitik, die zu substanziell höheren Wachstumsraten führt, um die hohe Arbeitslosigkeit zu senken. Österreich ist schon einmal, von 1996 bis 1999, eine wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung mit gleichzeitiger Senkung der Arbeitslosigkeit gelungen, auch durch außerbudgetären Infrastrukturausbau.

Österreich muss daher seine Infrastruktur wie Bahn-, Straßen-, Energie- und Telekomnetze verstärkt ausbauen. Dafür sollte das erfolgreiche Modell der außerbudgetären Finanzierung zusätzlicher Infrastruktur genutzt werden, um eine Budgetbelastung zu vermeiden und den Investitionsplan der EU, das "Juncker-Paket", durch nationale Investitionen zu ergänzen. Österreich könnte wieder wie schon Ende der 1990er-Jahre ohne Budgetbelastung eine Wachstumsschwäche überwinden, Beschäftigung schaffen und durch eine gut ausgebaute Infrastruktur seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. (Franz Nauschnigg, 24.8.2016)