Theoretisch könnte es dort zwar flüssiges Wasser geben, die künstlerische Darstellung von Proxima Centauri b mit ihren ausgedehnten Wasserflächen ist wohl trotzdem etwas optimistisch geraten.

Illustr.: ESO/M. Kornmesser

Noch spekulativer wird es bei diesem virtuellen Blick von der Oberfläche des Exoplaneten in Richtung Horizont, hinter dem Proxima Centauri gerade im Begriff ist zu verschwinden.

Illustr.: ESO/M. Kornmesser

Der Vergleich illustriert die Größenunterschiede: Aufgrund seiner geringen Masse und Helligkeit befindet sich die habitable Zone von Proxima Centauri nur wenige Millionen Kilometer von der Oberfläche des roten Zwergs entfernt.

Grafik: ESO/M. Kornmesser/G. Coleman

Obwohl Proxima Centauri ein Winzling ist im Vergleich zu unserer Sonne, erscheint der rote Stern aufgrund der großen Nähe am Himmel über seinem Exoplaneten bedeutend größer als unser Taggestirn.

Illustr.: ESO/G. Coleman

Klein, lichtschwach, aber näher als jeder andere Stern: Proxima Centauri, aufgenommen mit dem Hubble Weltraumteleskop.

Foto: NASA/ESA

London/Wien – Als vor zwei Wochen das spektakuläre Gerücht vorzeitig durchsickerte, war für einige der beteiligten Forscher der große Auftritt wohl etwas verpatzt: Zahlreiche Medien verkündeten unter Berufung auf namenlose Quellen die Entdeckung eines womöglich lebensfreundlichen Exoplaneten in einer Umlaufbahn um Proxima Centauri. Am Mittwoch haben die Astronomen ihre Beobachtungen im Fachjournal "Nature" offiziell präsentiert – und die Spekulationen weitgehend bestätigt: Um unseren unmittelbaren Nachbarstern kreist eine Welt, die in einigen Aspekten der unseren tatsächlich ähnelt.

Viel weiß man nicht über den mit 4,25 Lichtjahren nunmehr nächstgelegenen Exoplaneten, aber das wenige klingt verführerisch: Das Proxima Centauri b benannte Objekt besitzt mindestens die 1,3-fache Masse der Erde und bewegt sich in einem Orbit, der flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche theoretisch ermöglichen würde. Die Wissenschafter sprechen von der habitablen Zone, auch wenn von einer Lebensfreundlichkeit noch keine Rede sein kann. Immerhin deutet seine wahrscheinlich geringe Masse darauf hin, dass Proxima Centauri b eine felsige Welt und kein Gasplanet ist.

Dem Exoplaneten auf die Spur gekommen sind die Forscher um Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary University (London) mithilfe der Doppler-Spektroskopie, auch bekannt als Wobble-Methode: Seit 2000 hielten sie im Rahmen der Pale-Red-Dot-Kampagne mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte (Eso) in Chile nach winzigen Wackelbewegungen bei Proxima Centauri Ausschau. Das zarte Taumeln verändert das Lichtspektrum des Sterns und verrät den gravitativen Einfluss eines potenziellen Exoplaneten.

Das funktioniert bei so kleinen Welten aber nur, wenn sie ihre Muttergestirne in sehr geringem Abstand umkreisen: Proxima Centauri b ist nur 7,5 Millionen Kilometer von seinem Stern entfernt – also etwa ein Zwanzigstel der Distanz zwischen Erde und Sonne – und benötigt für einen Umlauf 11,2 Tage.

Video: Wie es auf Proxima Centauri b wirklich aussieht, wird vermutlich erst die nächste Generation von terrestrischen und Weltraum-Teleskopen enthüllen.
European Southern Observatory (ESO)

Im Strahlenbombardement

Diese Nähe schmälert allerdings entschieden die Chance, dass dort lebensförderliche Bedingungen herrschen. Proxima Centauri ist ein roter M-Zwerg und zählt zu den Flaresternen, einer stellaren Klasse, die für ihr unruhiges Wesen bekannt ist. Zwar ist der Stern tatsächlich ein Winzling – sein Durchmesser beträgt nur das Eineinhalbfache des Jupiter –, doch das macht er mit heftigen Ausbrüchen im UV- und Röntgenbereich des Lichtspektrums wett.

Astronomen vermuten, dass eine wie auch immer geartete Atmosphäre auf Proxima Centauri b einem solchen Strahlenbombardement aus kurzer Distanz auf die Dauer nicht standhält und ins All fortgeblasen wird. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass Planeten in engen Umlaufbahnen eine gebundene Rotation aufweisen. Das bedeutet, dass sie ihrem Muttergestirn stets dieselbe Seite zeigen: Während eine Hemisphäre im Strahlensturm brutzelt, verbleibt die sternabgewandte Seite in ewiger gefrorener Finsternis.

Völlig ausschließen wollen die Wissenschafter das Vorhandensein lebensfreundlicher Umstände auf Proxima Centauri b aber nicht: Sollte sich wider Erwarten eine Atmosphäre behaupten können – etwa als Folge eines starken, beschützenden Magnetfelds –, wäre Wasser am ehesten in den hellen Regionen des Exoplaneten zu erwarten, schreiben Astronomen in zwei zusätzlichen Studien, die im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" erschienen sind. In jedem Fall hätte man es auf dieser Welt dank intensiver Strahlung und gebundener Rotation mit recht exotischen klimatischen Verhältnissen zu tun.

Zwei weitere Aspekte sprechen dafür, auf diese Entdeckung mit Optimismus zu reagieren: Proxima Centauri zählt zu den häufigsten Sternentypen in der Milchstraße, mehr als 70 Prozent aller bekannten Sterne fallen in diese Kategorie. Dass gleich der nächstgelegene Rote Zwerg einen Felsplaneten in seiner wohltemperierten Zone beherbergt, lässt darauf hoffen, dass es viele weitere solcher Exoplaneten gibt. Und nachdem Roter-Zwerg-Sterne hunderttausendmal langlebiger sind als unsere Sonne, hätte das Leben auch viel Zeit, irgendwie doch einen Weg zu finden, mit den vorhandenen Widrigkeiten fertigzuwerden. (Thomas Bergmayr, 24.8.2016)