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Eine türkische Militärkolonne setzt sich nahe der Grenzstadt Karkamis in Marsch Richtung Syrien. Ziel ist die Errichtung einer von der Türkei kontrollierten Zone entlang der Grenze.

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Türkischer Luftangriff nahe Jarablus an der türkisch-syrischen Grenze.

Foto: APA / AFP / Bülent Kilic

Auch Panzer rollten laut Medienberichten an die Grenze, mittlerweile sollen sie diese auch überquert haben.

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Panzer stehen jenseits der türkischen Äcker in Richtung Syrien am Horizont, klein und eckig wie komische Gewächse. Der Wind treibt den Rauch und Staub vom Einschlag der Artilleriegeschoße flach über das Land. Die türkischen Fernsehkommentatoren zucken zusammen, wenn die Panzergeschoße auf der syrischen Seite mit einem dumpfen Knall explodieren.

Die Grenze werde vom "Islamischen Staat" gesäubert, hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zu Wochenbeginn angekündigt. Seit Mittwochfrüh steht die Türkei im Krieg. Es ist das letzte Tor zur Außenwelt, und nun soll es für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zugehen: knapp 90 Kilometer Grenzlinie zwischen Jarablus am Ufer des Euphrat und dem Städtchen Azaz weiter im Westen. Der IS in Syrien hat sich jahrelang über diese Linie in die Türkei versorgt, neue muslimische Kämpfer aus Europa und Zentralasien hereingebracht, wohl auch Waffen und Munition, und Verwundete in türkischen Krankenhäusern behandeln lassen. Jetzt soll damit Schluss sein.

Jarablus, die Grenzstadt, in der im Sommer 2013 die schwarze Fahne des IS hochging, war das erste Ziel. Unablässig feuerten die türkische Artillerie und Kampfjets seit den Morgenstunden auf die Stadt. Mehr als die Hälfte liegt schon in Ruinen, berichten Augenzeugen der kurdischen Nachrichtenagentur Firat. Am späten Vormittag dann rollen die ersten türkischen Panzer über die Grenze nach Syrien.

Am Abend gab Präsident Erdogan bekannt, Rebellenkämpfer der "Freien Syrischen Armee" hätten mit türkischer Unterstützung allestrategische wichtigen Positionen in Jarablus eingenommen. Fünf Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs greift der große Nachbar Türkei nach zahllosen Drohungen tatsächlich militärisch am Boden ein.

Ende der Terrorserie

Es ist ein unverfänglicher Protokolltermin im Präsidentenpalast, wie so häufig an geschichtsträchtigen Tagen. Tayyip Erdogan spricht vor Mitgliedern des nationalen Behindertenverbands der Türkei. Doch der Inhalt seiner Rede schwenkt bald um von der neuen Initiative zur Einstellung Behinderter in der öffentlichen Verwaltung zum Kriegseintritt in Syrien. Seit vier Uhr früh laufe die Offensive, gibt der Staatspräsident unter dem Beifall seiner Zuhörer bekannt. Den Terrorangriffen gegen die Türkei, die von Syrien ausgingen, müsse ein Ende gesetzt werden, erklärt Erdogan. Er nennt den IS, aber auch die Kurdenmiliz der PYD, der Demokratischen Unionspartei. Sie ist der wichtigste militärische Partner der USA im Kampf gegen den IS in Syrien.

Und so dreht Ankara nun eigenhändig mit am hochkomplexen Getriebe des syrischen Bürgerkriegs mit seinen Mächten von außen, die alle involviert sind – die USA, Russland, der Iran, Saudi-Arabien. Salih Müslim, der Chef der PYD, prophezeit den Türken wütend, sie würden im "syrischen Sumpf" versinken.

Ankara-treue Rebellen

Müslim twittert seine düstere Vorhersage gegen Mittag in die Welt. Spezialkräfte der türkischen Armee sind da längst schon hinter den syrischen Linien und bereiten den Einmarsch der Freien Syrischen Armee (FSA) vor, des Rebellenverbands, den vor allem Ankara stützt. 1500 bis 2600 der FSA-Kämpfer – die Angaben schwanken – sind zu diesem Zweck aus Azaz und der nordsyrischen Provinz Idlib abgezogen und in die Türkei verlegt worden. Sie werden am Mittwoch nach Jarablus eingeschleust. Nicht die Kurden der PYD, sondern die Ankara-treuen Rebellen sollen die Kontrolle an diesem Grenzabschnitt übernehmen. Als ein kurdischer Milizenführer am Montag die Gründung eines Militärkommandos für Jarablus verkündet, wird er drei Stunden später getötet. Agenten des türkischen Geheimdiensts MIT sollen die Tat verübt haben, behaupten die Kurden.

Laut Ministerpräsident Binali Yildirim gehe es darum, die Kurdenmiliz YPG über den Euphrat zurückzudrängen. "Bis das verwirklicht ist, werden unsere Operationen weitergehen", sagte Yildirim am späten Mittwochabend.

Biden: Kurden müssen sich zurückziehen

Dabei ist die Operation "Euphrat-Schild", wie sie die türkische Armee nennt, kein kompletter Alleingang. Die USA unterstützen die Türkei in ihrer Forderung nach einem Abzug kurdischer Milizen aus Teilen Nordsyriens. Die kurdischen Kämpfer müssten sich aus der Stadt Manbij auf das östliche Ufer des Flusses Euphrat zurückziehen, forderte US-Vizepräsident Joe Biden am Mittwoch kurz nach seiner Ankunft in Ankara. (Markus Bernath, 24.8.2016)