Donald Trump will die USA wieder groß machen und Jobs aus China und Mexiko zurückholen.

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Seine Ideen fußen unter anderem auf den Schriften des Ökonomen Peter Navarro.

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Wien – Damit es mit den USA wieder bergauf geht, muss sich das Land gegen China zur Wehr setzen, sagt einer der wichtigsten Köpfe hinter Donald Trump, Peter Navarro, im STANDARD-Interview. Als einziger akademischer Ökonom in seinem Beraterstab gilt er als Anwärter für ein hohes politisches Amt in einer möglichen Regierung. Navarro ist Professor an der renommierten University of California, Irvine. Er forscht unter anderem zu China, dem Energiemarkt und Internetklassen. DER STANDARD erreichte Navarro am Telefon.

STANDARD: Sie nennen China einen "Betrüger" und machen das Land für den Großteil der Probleme der USA verantwortlich. Warum?

Navarro: Das Problem, das die USA und Europa haben, wurde über ein Jahrzehnt lang falsch diagnostiziert. Wir glauben, wir haben ein Konjunkturtief. Das stimmt nicht. Unser Problem ist das internationale Handelssystem. Es gibt illegale Exportförderungen, Zwangsarbeit, Währungen werden manipuliert, Ideen gestohlen, die Umwelt verschmutzt. China tut das nicht allein, es ist aber der mit Abstand größte Betrüger.

STANDARD: Wie betrifft das Ihrer Meinung nach die US-Wirtschaft?

Navarro: Die USA importieren viel mehr, als sie exportieren. Das Defizit in der Handelsbilanz beträgt 764 Milliarden Dollar. Die Hälfte davon verursacht China, weil es seine Währung manipuliert. Die Theorie vom freien Handel, der allen nützt, funktioniert nur, wenn die Währung frei ist. Dann würde der Renminbi im Wert steigen. Das würde das Defizit ausgleichen. Wenn die USA weniger exportieren, fallen Jobs weg, und Fabriken sperren zu. Das Schöne an Trump ist, dass er seit 30 Jahren der erste Präsidentschaftskandidat ist, der das versteht.

STANDARD: Die Währung Chinas wurde lange künstlich niedrig gehalten, um der Wirtschaft zu helfen. Sie hat bis 2015 aber stark aufgewertet. Viele Ökonomen, auch der IWF, sehen den Renminbi heute nicht mehr als unterbewertet an.

Navarro: Das Einzige, was zählt, ist, dass China den Renminbi an den Dollar koppelt. Deshalb haben wir ein hohes Defizit in der Handelsbilanz. Bis sie diese Koppelung aufgeben, ist ihre Währung manipuliert und unterbewertet.

STANDARD: China ist immer noch ärmer als etwa Montenegro. Viele ärmere Länder koppeln ihre Währung an den Dollar oder den Euro. Das stabilisiert, man kann es ihnen schwer verbieten.

Navarro: Ja, das ist auch okay. Es gibt viele verschiedene Systeme. Was ich sage, ist einfach, dass die Theorie hinter dem Freihandel nur funktioniert, wenn die Währungen frei fließen. Sonst gibt es Gewinner und Verlierer anstatt nur Gewinner. Und da sind wir jetzt gerade.

STANDARD: Welche Probleme sehen Sie noch in Verbindung mit China?

Navarro: Etwa die Exportförderungen und das Dumping. China ist seit 15 Jahren in der Welthandelsorganisation und noch immer der größte Betrüger in der Organisation. China wirft Millionen Tonnen Stahl zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt. Das wird unter Trump aufhören. In der WTO gibt es kein Verbot von Zwangsarbeit oder Fabriken, die die Umwelt verschmutzen. Wir brauchen fairen Handel, der allen nützt.

STANDARD: Sie und Trump wollen China mit Zöllen drohen, wenn es nicht kooperiert.

Navarro: Ich lehne das Wort "drohen" ab. Es ist keine Drohung, sondern einfach eine Aussage des Weißen Hauses unter Trump, dass wir mit jedem Land der Welt handeln, das sich an die Regeln hält. Betrügt es, werden wir uns verteidigen. Und wir werden das heftig machen. Das Ziel ist es nicht zu drohen, sondern einen besseren Deal für unsere Arbeiter und die Industrie herauszuholen.

STANDARD: In ihrem Film "Death by China" nennen Sie die Menschenrechtslage in China als unfairen Handelsvorteil. Auch die Saudis, wichtige US-Partner, nehmen es da nicht so genau. Auch hier Zölle?

Navarro: Das ist ein berechtigter Einwand. Ich kehre einfach zur Trump-Doktrin zurück. Man kann nicht erwarten, dass US-Firmen gegen Sweatshops oder Umweltverschmutzer bestehen. Wenn wir unter Trump Abkommen verhandeln, schauen wir auf all diese Dinge. Egal, mit wem.

Navarro wurde mit seiner Doku "Death by China" einer breiteren Öffentlichkeit in den USA bekannt.
DeathByChina

STANDARD: Ein Kern von Trumps Botschaft ist es, die Industrie aus China und Mexiko zurückzuholen. Dabei ist sie nie gegangen. Es wird so viel produziert wie nie zuvor, nur erledigen Maschinen den Job.

Navarro: Deutschland ist die beste Antwort auf Ihre Frage. Dort sind 20 Prozent der Arbeitskräfte in der Industrie tätig. Hochproduktive Leute arbeiten Schulter an Schulter mit Robotern. In den USA sind es nur mehr neun Prozent.

STANDARD: Deutschland hatte immer schon eine stärkere Industrie, aber auch dort ist die Hälfte der Jobs weg. Das Land hat auch strengere Umwelt- und Sozialgesetze. Muss man nicht akzeptieren, dass die alten Jobs verloren sind?

Navarro: Wir reden hier nicht von alten Jobs wie der Produktion von T-Shirts. Wir reden über Autos, Mikroprozessoren.

STANDARD: Trump sagt, er setze sich für die Arbeiter ein, will aber Spitzenverdienern die Steuern senken. Ist Sanders nicht ein besserer Deal für die Arbeiterschicht?

Navarro: Nein. Wir brauchen mehr Wachstum, nicht Umverteilung. Wenn sich der Kuchen verdoppelt, dann kann jeder ein größeres Stück haben. Robin Hood und Karl Marx treten in der Form von Bernie Sanders und Hillary Clinton neu in Erscheinung. Wer die Steuern erhöht und umverteilt, schadet den Investitionen. Trump versteht das. (Andreas Sator, 23.8.2016)