Wenn das Leben an einem Seil und ein paar Karabinern hängt: Nicht alle Kletterer vertrauen dabei auf made in China.

Foto: Austrialpin, Peter Manhartsberger

Wien – Der Riss zog sich durch die gesamte kleine Gemeinde. Genau zwanzig Jahre ist es her, dass sich vier Tiroler Unternehmer aus der tief im Stubaital verwurzelten Gemeinschaft an Betrieben ausklinkten, um auf eigene Faust ihr Glück zu versuchen. Abseits der traditionellen Genossenschaft, ohne Gutdünken ihrer Dutzenden Mitglieder, die sich seit vielen Generationen schon der Metallverarbeitung und dem Schmiedehandwerk in Fulpmes verschrieben hatten.

Die vier Abtrünnigen gründeten die Marke Austrialpin, spezialisierten sich auf den Bergsport und die Fertigung von Steigeisen, Karabinern und Pickeln. Dass ihr Geschäft auf Dauer ohne die Kraft der Gruppe überleben könne, bezweifelten die meisten Stubaitaler. Der Ausstieg aus der Genossenschaft, die mit Werkzeugbau großgeworden war, habe im Ort ein mittleres Erdbeben ausgelöst, erinnern sich Ansässige.

Neue Jobs

Aus der anfänglichen harten Rivalität wurde über die Jahre dann doch ein friedliches Nebeneinander. Die Wogen glätteten sich. Mitunter wird zusammengearbeitet. Und die führenden Akteure teilen sich in ihrer Freizeit sogar wieder die gleichen lokalen Vereine, wie man sich schmunzelnd erzählt.

Während die Eisenverarbeitung in anderen Tälern Österreichs auf Sparflamme brennt, bringt sie in Fulpmes stetig neue Jobs. Umsätze der Austrialpin mit ihrer Sicherheitsausrüstung für Bergsteiger, Kletterer, Flugsportler, Soldaten und Rettungstruppen steigen. Exportiert wird in alle Welt. Und anders als die große internationale Konkurrenz, die weitgehend in China produzieren lässt, vertraut der Familienbetrieb nach wie vor ausschließlich auf made in Tyrol.

Eisen made in Tyrol

Eine Verlagerung der Fertigung mit ihren 70 Mitarbeitern in das günstigere Ausland war nie Thema. Auch wenn manch Mitbewerber aus Osteuropa angesichts der Lohnkosten den Kopf schüttle, resümiert Katrin Mark-Winkler. Die 36-Jährige war wie einige ihrer Kollegen bei Austrialpin Leistungssportlerin. Übers Klettern landete die Snowboarderin bei den Brüdern Hörtnagl, die Austrialpin gemeinsam führen. Vor sechs Jahren verunglückte der Unternehmenschef, ein Speedflyer. Mark-Winkler sprang ins kalte Wasser und übernahm die Geschäftsführung. "Es war am Anfang hart. Aber ich bin Schritt für Schritt hineingewachsen."

Auch Austrialpin hat schwierige Zeiten hinter sich. Zwei der zuvor vier Produktionsunternehmen mussten im Laufe der Jahre aufgeben. 2008 schafften die Hörtnagls jedoch den Sprung in die Gewinnzone. Seit dem Vorjahr gehört ihnen der gesamte Betrieb. Was jedoch nichts daran änderte, dass sie nach wie vor selbst regelmäßig vor den Nietmaschinen sitzen und an neuen Patenten tüfteln.

Einstieg in den USA

Das Geschäft nach vorne brachte vor allem der Einstieg in die USA, sagt Mark-Winkler. Türöffner waren Schnallen mit Klickverschluss, die sich auch unter Zug nicht öffnen. 1200 Varianten entwickelten die Tiroler. Spezialeinheiten des US-Militärs zählten zu den ersten Kunden. Seither kommen die kleinen Eisenteile in 74 Ländern zum Einsatz.

Austrialpin will heuer mehr als neun Millionen Euro umsetzen. 85 Prozent des Geschäfts werden im Ausland erzielt. Nach den USA und Kanada bemüht sich der Betrieb nun vermehrt um Asien. Es sind vor allem Karabiner und Schnallen für die Arbeitssicherheit, die den Umsatz stärken. Das entscheidende Kriterium: Sie dürfen nicht aufgehen. Wer sie aber dann doch öffnen muss, sollte dies so rasch wie möglich schaffen. Sie kommen daher bei Hubschrauberbergungen ebenso zum Tragen, wie bei Schutzwesten, derer man sich im Notfall in einem Zug entledigt.

Die jüngste wachsende Nische: Bushcrafting, besser bekannt als Überlebenstraining, wo abseits des Büroalltags das Abenteuer in der Natur gesucht wird. Die Gürtelschnalle mit Abseilmöglichkeit kommt aus dem Stubaital. (Verena Kainrath, 23.8.2016)