Im Augenblick, in dem in Österreich die Debatte über eine fälschlicherweise "Burkaverbot" genannte Untersagung der Vollverschleierung losbricht, präsentiert der deutsche Innenminister einen brauchbaren Kompromiss in dieser so heiklen Frage. Bei ihr stehen zwei Grundwerte gegeneinander: die individuelle Freiheit, sich nach eigenem Gutdünken zu kleiden, und der Schutz der Gesellschaft vor Kräften, die diese und viele andere Freiheiten zerstören wollen.

Ist das Kopftuch noch ein legitimer Ausdruck persönlicher Religiosität und der in Frankreich an einigen Stränden verbotene "Burkini" ein Weg für traditionelle Musliminnen, an den schönen Seiten des Lebens teilzuhaben, so geht der Gesichtsschleier einen Schritt zu weit: Hier werden Frauen de facto aus dem öffentlichen Leben verbannt und damit zu Menschen zweiter Klasse gemacht -- sowie zu wandelnden Werbeträgerinnen für die Islamisierung.

Aber ein Vollverbot ist nicht praktikabel und angesichts der wenigen in unseren Breiten ansässigen Niqab-Trägerinnen auch nicht notwendig. Allerdings kann diese Zahl rasch steigen. In Ämtern, Schulen und Universitäten sowie bei Amtshandlungen und Demonstrationen die Vollverschleierung zu untersagen, wie es die Deutschen nun planen, ist ein zulässiges Signal für die Verteidigung demokratischer Grundwerte. Ein solches Teilverbot wäre auch in Österreich akzeptabel – mehr nicht. (Eric Frey, 19.8.2016)