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Der bekannt harte Geschäftsmann Carlos Slim ist ein bekennender Fan des Boxkampfsports und sponsert über sein Unternehmen Telmex immer wieder Matches. Hier ist er vor einem Bild des Soumaya-Museums in Mexiko-Stadt zu sehen.

Foto: Reuters / Edgard Garrido

Viele haben versucht, sein Imperium anzugreifen. Sie scheiterten alle. Bis vor kurzem war Carlos Slim der unangefochtene Telekom-König von Mexiko. Wer telefonieren wollte, egal ob per Festnetz (Telmex), Handy (América Móvil) oder Internet, kam kaum an ihm vorbei. Zwar bot Slim schlechten Service zu überhöhten Preisen, und wer in abgelegenen Gegenden wohnte, hatte keine Chance auf Anschluss an die moderne Telekom-Welt, doch die Gesetze schützten den Milliardär, dessen Aufstieg in den 90er-Jahren mit dem Erwerb des Staatsmonopols Telmex begann.

An ihm biss sich selbst der spanische Telekomkonzern Movistar die Zähne aus. Trotz aggressiver Werbekampagnen kam Movistar im Handysegment nur auf einen Marktanteil von 20 Prozent.

Allerlei Tricks

Bis vor einiger Zeit durfte Slim, der in Österreich 50,7 Prozent der Telekom Austria hält, den Mexikanern selbst für einkommende Handygespräche Geld abknöpfen. Und wenn sie Nummern konkurrierender Anbieter oder in anderen Bundesstaaten anwählten, wurden höhere Gebühren fällig. Mit derartigen Tricks konnte er sich jahrelang lästige Konkurrenz vom Leibe halten und mehr Profite einfahren als andere Telekom-Konzerne weltweit. Gleichzeitig sparte er am Netz: Nur 17 Prozent aller Haushalte Mexikos haben Internet, und die Übertragungsrate ist eine der langsamsten des Kontinents.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warf Slim immer wieder wettbewerbsschädigendes Geschäftsverhalten vor – doch sie stieß auf taube Ohren. Den Regulierungsbehörden fehlten die Mittel und den Politikern der Wille, sich mit dem reichsten Mann Mexikos anzulegen, dessen Konzern die Börse dominierte und auf dessen Wahlkampfspenden sie hofften.

Digitale Zukunft

Doch das Blatt wendet sich. Vor fünf Jahren gerieten sich die drei großen mexikanischen Kommunikationsunternehmer untereinander in die Haare: Slim, Emilio Azcárraga Jean vom TV-Sender Televisa und Ricardo Salinas Pliego vom Fernsehsender TV Azteca. Es ging um die digitale Zukunft, das sogenannte "Triple Play", also die Integration von Telefonie, Internet und Kabelfernsehen. Darauf haben es alle drei abgesehen.

Der Konflikt eskalierte, als Televisa und TV Azteca mit einem Einstieg ins Handygeschäft liebäugelten und von der Regierung forderten, die Interkonnektivitätstarife (wenn vom Netz eines Anbieters auf ein anderes angerufen wird) von Telmex zu senken. "Sie wollen unser Netz gratis, aber das können sie sich abschminken", entgegnete der Direktor für Strategie von Telmex, Arturo Elias Ayub. Prompt strich das Unternehmen sämtliche Werbespots in den beiden Fernsehsendern.

Strategische Allianzen

Slim, dessen Unternehmen im Rest Lateinamerikas zu den führenden Kabel- und Satelliten-TV-Anbietern gehört, durfte in Mexiko nicht in diesen Geschäftsbereich einsteigen. Das verbot ihm seine Konzession aus den 90er-Jahren, wonach er lediglich Daten und Ton übertragen darf. Slim schloss daraufhin Allianzen: Mit der Gruppe MVS Comunicaciones gründete er den Kabel-TV-Anbieter Dish, der mit günstigen Preisen dem Televisa-Konkurrenten Sky in zwei Jahren zwei Millionen Kunden abjagte. Wer einen Festnetzanschluss hat, kann zu Vorzugskonditionen Dish gleich mit kaufen und über die Telefonrechnung bezahlen. Ein reines Dienstleistungsverhältnis, so Slim.

Televisa sieht das anders. Das Unternehmen focht vor Gericht die Allianz als unzulässig und unlauteren Wettbewerb an. Slim begann daraufhin in seinen Fernsehdependancen in Lateinamerika mit der Produktion von Seifenopern – bis dahin ein unangefochtener Jagdgrund von Televisa.

Politik mischt mit

Vor drei Jahren dann griffen die Politiker ein, als ihnen die politische Macht der drei Kommunikationsriesen langsam unheimlich wurde. Auf zunächst geheimen Treffen der Chefs der drei großen Parteien entstand der Entwurf für ein neues Telekomgesetz, das vor zwei Jahren dann im Parlament verabschiedet wurde. Es sieht Verbesserungen für die Kunden vor – im Telefonbereich zum Beispiel die Abrechnung im Sekunden- statt wie bisher im Minutentakt oder die staatliche Verpflichtung, in abgelegenen Regionen per Satellit für eine Anbindung zu sorgen.

Neue Regeln

Der Fernsehmarkt soll durch die Vergabe zweier neuer Frequenzen belebt werden. Slim wird gezwungen, seinen Marktanteil in der Telefonie auf unter 50 Prozent zu senken und seine Übertragungstürme auch der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen, darf im Gegenzug aber ins Kabelfernsehen einsteigen. Azcárraga, dessen Sender Televisa 60 Prozent des offenen TV-Marktes kontrolliert, muss seine Sendungen auch kostenlos bei anderen Kabeldienstleistern einspeisen. "Damit wird Wettbewerb möglich, und das wird die Qualität verbessern und die Preise senken", hofft Präsident Enrique Peña Nieto.

Die Folgen sind spürbar: Die Profite von Slims Handygesellschaft América Móvil sind 2015 um 24 Prozent gesunken. Kürzlich blies der US-Riese AT&T zum Angriff auf Mexikos Telefonmarkt, und Televisa hat sich mit dem Internet- und Telefonanbieter Megacable verbündet.

Gut vorgesorgt

In Slims Konzernzentrale nimmt man es gelassen. Die Zeitung El Financiero hat errechnet, dass die Einbußen im Telefonbereich von knapp 58 Milliarden Pesos durch die Mehreinnahmen von 48 Milliarden Pesos im TV-Bereich fast kompensiert werden. Zudem hat Slim längst vorgesorgt und sein Imperium auf den ganzen Kontinent ausgedehnt. Das Herzstück seiner Geschäfte ist inzwischen Brasilien, doch auch in Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile und Mittelamerika ist América Móvil gut im Geschäft. Abgesehen davon besitzt er Beteiligungen an Bau- und Erdölfirmen, Restaurants, Einzelhandel und Finanzdienstleistungen. (Sandra Weiss aus Mexiko-Stadt, 19.8.2016)