Eine Reck-Übung für die Ewigkeit.

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Rio de Janeiro – Fabian Hambüchen schrie seinen Jubel heraus und fiel seinem Vater in die Arme. Bei seinem letzten internationalen Auftritt holte Deutschlands Vorzeigeturner das lang ersehnte Gold. An seinem Paradegerät, dem Reck, wirbelte Hambüchen spektakulär durch die Luft. Mit 15,766 Punkten benoteten die Wertungsrichter die Übung des 28-Jährigen. Nach Bronze in Peking 2008 und Silber in London 2012 war es für Hambüchen bei seinen vierten Spielen die nicht mehr für möglich gehaltene Krönung. Der Hesse setzte sich vor dem US-Amerikaner Danell Leyva (15.500) und dem Briten Nile Wilson (15,466) durch.

"Das ist unbeschreiblich, ich kann meine Gefühle gar nicht in Worte fassen. Das ist die Erfüllung eines Traums", sagte Hambüchen in der ARD und kündigte eine riesige Party an: "Heute nehme ich das Deutsche Haus auseinander, da findet ihr morgen nur noch einen Haufen Schutt." Das ließ er dann doch sein.

Hambüchen war mit dem höchsten Ausgangswert als erster Turner ans Gerät gegangen. "Ich habe ihm gesagt, er soll einfach nur spielen", hatte sein Vater Wolfgang davor erzählt. Nach seiner beinahe tadellosen Leistung – Hambüchen leistete sich lediglich einen kleinen Wackler bei der Landung – ging das bange Warten los. Direkt nach ihm war London-Olympiasieger Epke Zonderland an der Reihe, doch der Niederländer, den eine Handverletzung plagte, patzte und stürzte vom Reck. Danach landete einer nach dem anderen hinter dem Deutschen. Bis Gold feststand.

Schulterverletzung

Für Hambüchen erfüllte sich ein Traum, an den er vor Monaten noch nicht zu denken gewagt hatte. Damals sprach der 28-Jährige in einem tristen Raum in einem Frankfurter Hotel über die großen Probleme mit der Schulter. Eine hartnäckige Sehnenentzündung machte ihm zu schaffen. "Die Gesundheit geht vor", sagte er, "ich weiß nicht, ob ich in Rio dabei sein werde." Es ging sich dann doch noch aus. Offiziell wurde seine Teilnahme vier Wochen vor Beginn der Spiele, als Deutschlands Turn-Bundestrainer Andreas Hirsch die Namen der Nominierten nannte.

"Es ist der pure Wahnsinn, dass wir es noch geschafft haben", hatte Hambüchen damals gesagt. Und: "Die Erleichterung ist riesig. Ich werde jeden Moment genießen und bin einfach nur froh, das Event mitzumachen." Freilich, einfach nur dabei sein war dem Reck-Weltmeister von 2007 dann doch zu wenig. Trainer Hirsch: "Fabian reist ja nicht zu den Olympischen Spielen, um eine Jacke abzustauben. Er will dort etwas holen."

Locker

In Rio nahm Hambüchen den Final-Wettkampf wie angekündigt entspannt in Angriff. Der 1,63 m große Turner ist gereift. Vor acht Jahren in Peking ging er als Favorit ins Finale an seinem Spezialgerät. Es wurde "nur" der dritte Platz. Mit hängenden Mundwinkeln nahm der damals 20-Jährige die Medaille entgegen. "Ich war so auf dieses verdammte Gold fixiert. Eigentlich ist es schlimm, dass man sich über Bronze nicht freuen kann", hatte er danach gesagt. Nach der Silbermedaille vor vier Jahren in London war er wesentlich glücklicher. Und jetzt, in Rio de Janeiro, der Höhepunkt der Glückseligkeit.

Hambüchen, sechsfacher Europameister und neunmaliger WM-Medaillengewinner, wird künftig zumindest keine internationalen Wettkämpfe mehr turnen. Der über Jahrzehnte geschundene Körper lässt es nicht mehr zu. Hambüchen will sein in letzter Zeit vernachlässigtes Sportstudium wieder intensiver verfolgen.

Reck als Souvenir

Die Erinnerung an den Turnsport wird kaum verblassen. Ein ganz spezielles Souvenir will er sich aus Rio mitnehmen. "Ich bin mit meinem kanadischen Kumpel noch mal in die Halle gegangen, um das Reck zu fotografieren. Da kam mir der Gedanke: 'Hey Alter, das Ding musst Du kaufen!'", sagte Hambüchen der ARD und wiederholte es später im Deutschen Haus: "Es wäre ja blöd, wenn ich das Ding hier stehen lasse."

Diesem Plan sollte nichts im Wege stehen – der deutsche Hersteller Spieth will ihm das Turngerät zur Verfügung stellen. Hambüchen will das mit den olympischen Ringen verzierte Reck in seiner Trainingshalle in Wetzlar aufstellen. "Ich werde mein Autogramm drauf setzen, dann ist das ein Unikat."

Auch der Preis ist schon grob verhandelt. Etwa 5000 Euro soll es kosten. Hambüchen: "Überschaubar." (sid, red, 17.8.2016)