Bild nicht mehr verfügbar.

Bewohner in Aleppo inspizieren ihre Häuser nach einem Luftschlag.

Foto: REUTERS/Abdalrhman Ismail

Damaskus/Genf – Mit einer symbolischen Protestaktion hat der Syrien-Beauftragte der UN eine Unterbrechung der Kämpfe in Syrien zur Versorgung Notleidender gefordert. Nach nur acht Minuten erklärte Staffan de Mistura am Donnerstag in Genf eine Sitzung der UN-Arbeitsgruppe für die humanitäre Hilfe in Syrien für vorzeitig beendet.

Damit werde die UN-Forderung nach freiem Zugang für Helfer zu hunderttausenden notleidenden Menschen in umkämpften Städten und Regionen betont, erklärte De Mistura. Die zeitweilige "Suspendierung" der Arbeitsgruppe sei mit Blick auf den Welttag der humanitären Hilfe an diesem Freitag (19.8.) erfolgt.

"Nicht ein einziger Hilfskonvoi hat seit einem Monat eines der belagerten Gebiete erreichen können", sagte De Mistura vor Reportern. Beratungen humanitärer Experten machten wenig Sinn, wenn es "keine Aktionen" vor Ort gebe, die Zugang zu Notleidenden ermöglichen. Die Konfliktparteien würden offenbar "nur noch kämpfen wollen". Zugleich bekräftigte De Mistura die UN-Forderung nach einer mindestens 48-stündigen Waffenruhe für die umkämpfte Stadt Aleppo.

Amnesty: Folter und 18.000 Tote in Gefängnissen

Seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs vor mehr als fünf Jahren sind in den Gefängnissen des Regimes laut Menschenrechtsvertretern fast 18.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Häftlinge seien dort vom ersten Moment an schwerer Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Sie warf Damaskus Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor und forderte, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Der Bericht stützt sich auf die Aussagen von 65 früheren Häftlingen in syrischen Gefängnissen. Der "Katalog von Horrorgeschichten" zeige in "grausamen Details die fürchterliche Misshandlung von Insassen", erklärte Amnestys Nahost-Direktor Philip Luther. Folter sei Teil von systematischen und weit verbreiteten Übergriffen gegen jeden, der unter dem Verdacht stehe, gegen die Regierung zu sein.

Gefangene berichteten etwa über ein Ritual, das sie als "Willkommensparty" bezeichneten. Dazu gehörten heftige Schläge mit Knüppeln oder Kabeln. "Sie behandelten uns wie Tiere. Sie wollten, dass die Menschen so unmenschlich wie möglich sind", erzählte einer der Überlebenden.

Fingernägel herausgerissen

Andere erklärten, dass sie mit Elektroschocks gefoltert oder ihnen die Fingernägel herausgerissen worden seien. Zudem gab es Berichte, dass Gefangene in völlig überfüllten Zellen neben Leichen schlafen mussten. Das deckt sich mit früheren Berichten von Häftlingen, die aus syrischen Gefängnissen freikamen.

Amnesty beziffert die Zahl der Toten seit Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 auf 17.723. Durchschnittlich kämen pro Monat in Gefängnissen der Regierung 300 Menschen ums Leben. Dabei handle es sich um eine konservative Schätzung. Da Zehntausende in den syrischen Gefängnissen verschwunden seien, sei die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher.

Amnesty rief Deutschland und die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Syrien zu erhöhen, damit alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort freigelassen sowie Folter und Misshandlungen eingestellt würden. (APA, 18.8.2016)