Wien – Der im April 2013 zu sechs Jahren Haft verurteilte Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics erhält keinen weiteren Strafaufschub. Das hat das Wiener Landesgericht Ende vergangener Woche nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten entschieden. Diese kommen zum Schluss, "dass unter gewissen Auflagen Vollzugstauglichkeit gegeben ist", gab Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Dienstag bekannt.

Grundsätzlich müsste Petrikovics damit umgehend die über ihn verhängte Strafe antreten. Er hat allerdings 14 Tage Zeit, um gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Sein Anwalt Otto Dietrich kündigte im Gespräch mit der APA eine Beschwerde ans Wiener Oberlandesgericht (OLG) an. "Wir können uns auf drei aktualisierte Befunde stützen, die zu anderen Ergebnissen kommen als die gerichtlichen Sachverständigen", betonte der Verteidiger. Dietrich wies weiters darauf hin, dass ein von der Justiz zur Klärung der Verhandlungsfähigkeit herangezogener Gutachter "eindeutig festgestellt hat, dass sich der Zustand des Patienten seit dem vergangenen März deutlich verschlechtert hat".

Streit über Öffentlichkeit

Grundsätzlich zeigte sich Dietrich verärgert, dass der jüngste Beschluss des Straflandesgerichts publik wurde: "Ich finde es ungeheuerlich, dass das innerhalb von drei Tagen ab Zustellung in die Öffentlichkeit gelangt." Die Frage, ob Petrikovics aus gesundheitlichen Gründen vollzugstauglich ist oder nicht, falle in dessen Privatsphäre.

Karl Petrikovics hätte Anfang Jänner nach Rechtskraft seines Urteils im Immofinanz-Verfahren die über ihn verhängte sechsjährige Freiheitsstrafe antreten sollen. Er legte allerdings ein Privatgutachten vor, das einen Strafantritt aus medizinischer Sicht als unzumutbar bezeichnete, sein Anwalt beantragte einen Strafaufschub wegen Vollzugsuntauglichkeit.

Dieser Antrag wurde jetzt vom Wiener Landesgericht abgewiesen. Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten soll ergeben haben, dass den von Petrikovics behaupteten psychischen Problemen für sich genommen kein derart hoher Krankheitswert zukommt, dass sie der Verbüßung der Haftstrafe grundsätzlich entgegenstünden. Weil Petrikovics auch Herzprobleme geltend machte, empfahl die psychiatrische Sachverständige aber die zusätzliche Beiziehung eines kardiologischen Sachverständigen. Der Herzspezialist stellte in weiterer Folge fest, dass Petrikovics zwar gesundheitlich beeinträchtigt ist, ihm aber die Haftbedingungen unter gewissen Auflagen zugemutet werden können.

Weiterhin wohl nicht verhandlungsfähig

Verhandlungsfähigkeit soll bei Petrikovics allerdings nach wie vor nicht gegeben sein, was insofern von Interesse ist, als sich der Ex-Immofinanz-Chef unter den Angeklagten im Buwog-Verfahren befindet, in dem seit einigen Wochen eine nicht rechtskräftige Anklageschrift vorliegt. Bei der Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte ein Konsortium rund um die Immofinanz den Zuschlag erhalten. Kurz vor der entscheidenden zweiten Runde soll Petrikovics einen geheimen Tipp des Lobbyisten Peter Hochegger bekommen haben, wie viel er mindestens bieten müsse, um den Konkurrenten – die CA Immo – zu übertrumpfen.

Im Immofinanz-Prozess war der Ex-Vorstandsvorsitzende der Constantia Privatbank und der Immofinanz-Gruppe wegen Untreue schuldig erkannt worden. In dem Verfahren war es um ein Konglomerat aus Firmen, fiktive Aktienkäufe und -verkäufe, fiktive Bewertungen, fiktive Bezugsrechte und real ausbezahlte Gewinne gegangen. Verurteilt wurden neben Petrikovics auch der frühere Immofinanz-Aufsichtsratschef Helmut Schwager und Ex-Prokurist Christian Thornton. Schwager fasste letzten Endes viereinhalb Jahre aus, Thornton 15 Monate bedingt. (APA, 16.8.2016)