Rico Scagliola & Michael Meier inszenieren sich in überzeichneten Bodybuilderposen, untersuchen die Selbstdarstellung in den Medien und verwischen eindeutige Geschlechterzuschreibungen: "Woman who lift, Bodybuilder"


Foto: Taxispalais

Innsbruck – In dreiundzwanzig Wochen hat Cassils den eigenen weiblichen Körper durch extremes Training und strikte Proteindiät einer Verwandlung unterzogen, die ihn innerhalb der herrschenden gesellschaftlichen Normen als eindeutig männlich erscheinen lässt. Die Fotoserie Time Lapse aus der Werkgruppe Cuts: A Traditional Sculpture dokumentiert mit täglich einem Foto diese radikale Umformung und thematisiert den Körper eindrücklich als Schauplatz, an dem Fragen der Identität und Geschlechterzuschreibung verhandelt werden – ein wesentlicher Aspekt der Ausstellung Mapping the Body, aber bei weitem nicht der einzige.

Die Vermessung des menschlichen Körpers, seine politische, kulturelle und mediale Vereinnahmung, Fragen nach Technologisierung und Disziplinierung, Schönheit und Selbstdarstellung werden im breiten Spektrum der internationalen Gruppenschau mit achtzehn Künstlern und Künstlerinnen in der Galerie im Taxispalais thematisiert. Die Breite könnte zur Oberflächlichkeit geraten, ist sie aber in diesem Fall nicht, denn gerade die Vielfalt setzt im eigenen Kopf Assoziationen in Gang und ermöglicht Verknüpfungen scheinbar gegensätzlicher Aspekte.

Wie etwa in den Arbeiten der spanischen Fotografin Laia Abril, Tediousphilia und Asexuals Project, die einerseits den scheinbar dauererotischen Sex im Internet als ziemlich langweilige Angelegenheit entlarvt und parallel auf einfühlsame Weise asexuelle Menschen porträtiert und ihnen über eine Webplattform ermöglicht, über ihre sexuelle Orientierung zu sprechen.

Ganz anders der Zugang der in Berlin lebenden Irin Mariechen Danz. In Methods of Inscription (bodies ink) II und Open Book: vessel veins zeigt sie den Körper als Objekt der Wissenschaft und zugleich die Wissenschaft und den Körper selbst als Konstrukt der Gesellschaft. Auf zwei raumgreifend aufgeschlagenen Buchseiten aus Plexiglas und Aluminiumblech überlagern sich Körperdarstellungen von der Mayakultur über die Renaissance bis zu "Google Body Labs", 3-D-generierten Schaubildern, im Internet abrufbar. Ob die dynamisch gemalte knallrote Geste auf der Rückseite der Skulptur tatsächlich aus Blut besteht, bleibt offen, holt aber die Installation abrupt zurück ins Körperliche.

Körperlich nah geht auch das Video der Guatemaltekin Regina José Galindo, die die Gewalt an der indigenen Bevölkerung ihrer Heimat thematisiert. Der Körper der Künstlerin liegt nackt auf einem Seziertisch, voller Linien, bereit für eine Sektion.

Ebenso aus dem kulturellen Blickwinkel, aber mit ironischem Zugang operiert die Deutsch-Türkin Selma Alaçam. Parallel gezeigte Youtube-Videos mit Schminkanleitungen für junge muslimische Frauen mit Kopftuch stellen deren stolz zur Schau getragene Schönheit unserem stereotypen Bild der unterdrückten Muslimin gegenüber. Die Make-up-Tutorials sind übrigens so erfolgreich, dass die Gatten im Business der Frau mitarbeiten dürfen.

Die großflächige Fotoarbeit Looking for Love des Schweizers Daniele Buetti von 1995 frappiert mit vernarbten Tätowierungen von Markennamen auf der Haut der abgebildeten Supermodels, welche sich aber bei näherem Hinsehen als von der Rückseite in die Bilder eingedrückte Kugelschreiberlinien entpuppen. Buettis Arbeit ist die älteste der Ausstellung, die jüngsten setzten sich mit künstlich generierten Menschen oder der Konstruktion virtueller Identitäten auseinander. (Nicola Weber, 17.8.2016)