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"Pokémon Go" begeistert weltweit, aber nicht in allen Ländern ist das Spielen auf der Straße unbeschwert.

Foto: REUTERS/Sait Serkan Gurbuz

Das Smartphone-Spiel "Pokémon Go" hat sich schnell zu einem weltweiten Trend entwickelt. Auch in Venezuela wird es gespielt – hier birgt es allerdings besondere Gefahren. Wer auf den Straßen der venezolanischen Hauptstadt Caracas Pokémon jagt, riskiert sein Handy und vielleicht sogar sein Leben: Schließlich ist Venezuela eines der gefährlichsten Länder der Welt.

"Wir trotzen den Verbrechern"

Der 18-jährige Philosophie-Student Cristian Fragoza ist sich dieser Gefahren bewusst: "Wir trotzen den Verbrechern", sagt der Fan, der sich mit einer Gruppe Gleichgesinnter bei einem Einkaufszentrum zur Monsterjagd getroffen hat.

Fragoza bekennt, er sei regelrecht süchtig nach dem Smartphone-Spiel, das seit Anfang August auch in Venezuela verfügbar ist. Stolz zeigt er auf seinem Display einen Bulbasaur, eine Art grünes Reptil, das er am Rande des Armenviertels 23 de Enero gefangen hat – einer der gefährlichsten Gegenden der venezolanischen Hauptstadt.

Dazu braucht es Wagemut in einem Land, in dem 2015 nach Justizangaben 17.778 Menschen ermordet wurden – das sind 58 Morde pro 100.000 Einwohner. Weltweit liegt der Durchschnitt nach Angaben der Vereinten Nationen bei 8,9 Morden.

Mord bei Handyraub

Fragoza agiert vorsichtig, wie er sagt: "Ich durchquere zwei Häuserblöcke, wo mich alle kennen, seit ich ein Kind bin, und komme dann zurück." Doch die 22-jährige Alejandra Salazar sagt: "Nicht alle wagen es, ihr Handy herauszuholen, um zu spielen." Nachdem ihr eigenes Smartphone geraubt wurde, spielt sie auf den Smartphones ihrer Freunde, bis sie sich ein neues kaufen kann.

Rund 500 Menschen wurden nach Angaben des Verbandes Alto al Crimen (Stoppt das Verbrechen) zwischen Oktober 2015 und März 2016 in Venezuela getötet, weil sie beim Raub ihres Handys Widerstand leisteten. Seit die Ölpreise fielen und das ölreiche Venezuela in eine schwere Wirtschaftskrise stürzte, hat sich die Gewalt noch verschärft.

Nun verweisen Spielervereinigungen auf die sehr realen Gefahren der virtuellen Monsterjagd. "Fangt sie in Sicherheit" heißt eine Kampagne, die auf sozialen Netzwerken warnt: "Dein Telefon und vor allem Dein Leben ist wichtiger als ein Pokemon."

Kampagne für mehr Sicherheit beim Spielen

"Unser wichtigstes Ziel war eine Kampagne für Sicherheit", erklärt der 30-jährige Unternehmer Luis Vargas, der den Twitteraccount @PokemonGo_Vzla betreibt. Zu ihrem Schutz seien Pokemon-Jäger in Gruppen unterwegs und spielten möglichst auf öffentlichen Plätzen oder Gegenden mit Polizeipräsenz.

Der 22-jährige Carlos Reina glaubt, Pokemon-Fans kämen trotz Kriminalität gut klar. Er selbst hat schon rund 40 Figuren in seiner Sammlung. Sein Lieblingsmonster? Elektek, ein katzenähnliches, gelbes Wesen. Ab und zu begleite ihn seine Mutter Leida Castillo. "Manchmal nimmt sie mein Telefon, um selbst zu spielen", sagt Reina lachend.

Staatschef Madura: Spiel fördere "Kultur der Gewalt"

Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro, politischer Erbe von Hugo Chavez, macht aus seiner Abneigung gegen die App keinen Hehl. Bei seiner wöchentlichen Fernsehansprache warnte er, das Spiel fördere eine "Kultur der Gewalt" bei Kindern und Jugendlichen. Dass unweit der Grabstätte von Chavez laut Fagoza drei Pokestops zu finden sind, an denen sich Monster-Jäger mit Ausrüstung eindecken können, wird ihm da kaum gefallen.

Sicherheitskampagne auf Twitter

Auch in Venezuelas Parlament ist Pokemon Go angekommen. Neulich twitterte der Oppositionsabgeordnete Freddy Guevara ein Bild eines Pokemon, das er im Plenarsaal vor der Sitzung erwischt hatte. "Es gibt Leute, die diese Viecher nicht in den Straßen fangen, sondern an ihrem Arbeitsplatz", kritisiert sein politischer Gegner Diosdado Cabello, die rechte Hand Maduros. "Sie sind wirklich dreist und werden deshalb nie wieder an die Macht kommen." (APA, 16.8.2016)