Der Grünen-Landesrat Rudi Anschober fordert Solidarität von den Bundesländern ein.

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Wien – Müssen Flüchtlinge mit einem positiven Asylbescheid künftig in ihrem bisherigen Wohnort verbleiben oder dürfen sie wegziehen? Zum Beispiel nach Wien. Darüber herrscht nicht nur in der Koalition, sondern vor allem in der SPÖ momentan einiges Durcheinander.

Seit Längerem wird die Einführung einer Wohnsitzauflage oder Residenzpflicht – ähnlich wie in deutschen Bundesländern – diskutiert, um die Ansiedelung von Migranten und Migrantinnen sinnvoll auf das gesamte Bundesgebiet zu organisieren. Und letztlich auch um den fokussierten Zuzug in die Bundeshauptstadt zu drosseln. Die Dringlichkeit des Problems zeigt das Beispiel Oberösterreich. Dort führt die von ÖVP und FPÖ eingeführte Kürzung der Mindestsicherung zu ersten Konsequenzen. Die Restriktionen hätten die Abwanderung von anerkannten Flüchtlingen verstärkt, "der Trend in Richtung Wien ist nach dem Kahlschlag in Oberösterreich massiv gewachsen", sagt der für Asylagenden zuständige Grünen-Landesrat Rudi Anschober im STANDARD-Gespräch.

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) sprach dieser Tage nun von einem möglichen Konsens bei der Wohnsitzauflage. Der Minister unterstrich, es gebe bereits eine gemeinsame Position mit dem Innenministerium. "Weit gefehlt", korrigiert ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka im STANDARD-Gespräch. Er habe nochmal Rücksprache gehalten, von Einigung könne keine Rede sein, zuerst müssten Bedingungen wie eine Deckelung der Mindestsicherung auf 1500 Euro geklärt werden. Davon will wiederum Stöger nichts wissen, der SPÖ-Minister lehnt das im Namen seiner Partei kategorisch ab.

Stöger müsse auch zuvor ein Konzept vorlegen, wie er eine Residenzpflicht in den Ländern organisieren wolle, denn ohne Länder gehe gar nichts, sagt Lopatka.

Kaiser auf Distanz

In diesem Punkt hat der ÖVP-Klubchef wohl insofern recht, als in den Ländern – zumindest momentan – noch gar nichts geht. Stöger hat dort nicht nur die ÖVP als Verhandlungsgegner, sondern auch seine eigene Partei: Die steirische SPÖ-Landesrätin Doris Kampus etwa verhehlt nicht, dass sie mit der von den Wiener-SPÖ und Stöger favorisierten Residenzpflicht keine Freude hat. Sie stehe einer Wohnsitzauflage "prinzipiell skeptisch gegenüber". Die Sache werde wieder "aus Sicht von Wien diskutiert".

Auch der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser bleibt auf Distanz. "Voraussetzung ist eine bundesweite, einheitliche Regelung zur Mindestsicherung. Damit wird der Anreiz, dorthin zu gehen, wo es die höchste Mindestsicherung gibt, geschmälert. Grundsätzlich ist der Anreiz für jeden Menschen groß, in Städte bzw. Metropolen zu ziehen. Ob sich dies durch die Residenzpflicht steuern lässt, muss man unter spezifischen Aspekten diskutieren", äußert sich Kaiser im STANDARD-Gespräch.

Keine einheitliche Linie

In Oberösterreich wiederum existiere in der dortigen Regierung noch "überhaupt keine einheitliche Linie, das wurde noch nicht einmal diskutiert", sagt Landesrat Rudi Anschober. Er selbst könne einer Residenzpflicht durchaus etwas abgewinnen, denn das habe auch etwas mit "Solidarität" zu tun. "Wir verlangen in der Flüchtlingsfrage von den europäischen Ländern Solidarität, jetzt müssen wir das auch in Österreich leben", sagt Anschober.

Aber auch der Grünen-Politiker fordert eine Vereinheitlichung der Mindestsicherung als Voraussetzung für eine Residenzpflicht. Diese könne jedenfalls auch dazu beitragen, Abwanderungen aus strukturschwachen Regionen entgegenzuwirken.

Es gehe letztlich aber auch um eine dezentrale Integration. Sofort aufgehoben sollte eine Residenzpflicht für den einzelnen Betroffenen aber werden, wenn dieser irgendwo in Österreich einen Job in Aussicht habe, sagt Anschober. (Walter Müller, 13.8.2016)