Eine Muslimin legt Blumen vor der Kirche in Saint-Etienne- du-Rouvray nieder, in der der Priester Jacques Hamel von einem IS-Anhänger ermordet wurde. Muslime in aller Welt drückten ihre Abscheu über die Tat aus. Der IS rückt das Christentum in das Zentrum seiner aggressiven Propaganda.

Foto: AFP / Charly Triballeau

Wien – Zu sagen, die jüngste Ausgabe des Propagandamagazins des "Islamischen Staats", Dabiq, sei besonders verstörend, soll den Schrecken der vor ihr erschienenen vierzehn Nummern nicht kleinreden. Die aktuelle ist jedoch insofern etwas anders, als sie sich nicht nur dem inneren jihadistischen Diskurs widmet, sondern auch sozusagen den Feind direkt anspricht: "Warum wir euch hassen und warum wir euch bekämpfen", heißt ein Artikel.

Die Ausgabe, auf deren Titelbild ein IS-Kämpfer ein Kruzifix umstürzt, heißt "Brecht das Kreuz". Im entsprechenden Artikel ist es jedoch Jesus selbst, der das Kreuz brechen wird: Wenn er, wie der Prophet Mohammed laut einer Überlieferung ankündigt, zurückkommt, um den Antichristen zu bekämpfen, wird er auch mit den Lügen aufräumen, dass er als Sohn Gottes gekreuzigt und wiederauferstanden sei.

Der Hauptgrund für den Hass

Wobei man beim Hauptgrund für den Hass ist. Der anonyme Autor in Dabiq: "Weil ihr Ungläubige seid, weil ihr die Einheit Allahs ablehnt ...". Selbst wenn alle politischen Gründe wegfielen, wenn sich die Christen unterwerfen und Kopfsteuer zahlten, dieser Hass würde bleiben. Wobei der Kampf, der – auch in Dabiq so bezeichnete – Terror, die Massaker auch den Zweck hätten, "euch von der Dunkelheit des Unglaubens in das Licht des Islam zu bringen".

Die Konzentration auf das Christentum erschreckt besonders nach dem Mord an einem Priester in einer katholischen Kirche in Frankreich im Juli, der in der aktuellen Nummer erwähnt wird (es gibt eine Rubrik, in der die vom IS beanspruchten Anschläge aufgelistet sind). Ohne Zweifel versucht der IS mit diesem Herausarbeiten des "Kernkonflikts", die Hemmschwelle seiner Anhänger im Westen zu senken. Keine Rede von der respektierten Buchreligion Christentum: Die Christen müssen bestraft werden, denn sie haben die Chance, den Islam anzunehmen, aber sie tun es nicht.

Der Krieg in Syrien und im Irak und das Leben in den Gebieten, die der IS kontrolliert, kommt zwar vor, aber eher am Rande. Auch hier ist alles religiös überhöht, die syrischen Regimetruppen sind "Nusayrier" (eine früher übliche Bezeichnung der Alawiten, die auf ihren Religionsgründer verweist), die Iraner sind die "Rafidun", die Zurückweiser (Schiiten, die die politische Ordnung des sunnitischen Kalifats zurückwiesen).

Aufforderung zur Bekehrung

Aber der Schwerpunkt der Ausgabe ist klar ein anderer: Der Krieg gegen die Christen und die Atheisten in ihren eigenen Ländern beziehungsweise eine Aufforderung an diese, sich zu "bekehren". Wenn das der neue Kitt werden soll, der die disparaten IS-Mitglieder zusammenhalten soll – angesichts des schrumpfenden Territoriums im Nahen Osten, auf dem der IS seine Utopie verwirklichen wollte – ist das keine gute Nachricht für den Westen.

Dabiq ist der Name einer Stadt in Syrien, wo die apokalyptische Schlacht zwischen Muslimen und Nichtmuslimen (eigentlich den Römern) stattfinden soll. Das Online-Magazin ist nicht das einzige Schriftwerk des IS, da gibt es etwa auch den Newsletter al-Naba ("Ankündigung", eine Sure des Korans heißt so). In der letzten Ausgabe (Nummer 41) wird ein neuer Boko-Haram-Chef für Westafrika, Abu Musab al-Barnawi, interviewt, und auch hier herrscht der Eindruck vor, dass die Christen in den Fokus rücken: Sein Vorgänger Abubakar Shekau war offenbar auch innerhalb des IS wegen der Exzesse von Boko Haram gegen Muslime kritisiert worden.

"Ingenieure der westlichen Dekadenz"

Durch die aktuelle Dabiq-Ausgabe zieht sich ein weiteres Thema als roter Faden: die "Fitrah", des Menschen von Allah verliehene Natur, die der Westen bekämpft. Sigmund Freud kommt zur Ehre einer Abbildung als "einer der Ingenieure der westlichen Dekadenz". Eine Fixierung sind die "Sodomiten" – einer ihrer Beschützer ist demnach Papst Franziskus. Der Westen propagiere, was verboten ist – und verbiete, was erlaubt ist (etwa Sklaven).

Eine eigene Untersuchung wert wären die Fotos beziehungsweise deren Beschriftung. Unter jenem des Grabsteins des im Irak gefallenen muslimischen US-Soldaten Humayun Khan – dessen Vater sich mit Donald Trump auf eine Kontroverse einließ – steht: "Hüte dich, als Apostat zu sterben." (Gudrun Harrer, 13.8.2016)