Ankara/Paris – Der im US-Exil lebende türkische Prediger Fethullah Gülen fordert eine internationale Untersuchung der von der Regierung in Ankara gegen ihn erhobenen Putschvorwürfe. "Wenn nur ein Zehntel der Vorwürfe gegen mich stimmt, dann verspreche ich, in die Türkei zurückzukehren", schrieb Gülen in einem am Freitag veröffentlichten Beitrag in der französischen Zeitung "Le Monde".

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu erklärte unterdessen, die Türkei habe "positive Signale" seitens der USA hinsichtlich der Auslieferung Gülens erhalten. Es würden weiter Dokumente vorbereitet, die als Grundlage für ein Auslieferungsbegehren dienen würden, sagte Çavuşoğlu am Freitag.

32 zurückberufene Diplomaten nicht heimgekehrt

32 türkische Diplomaten, die nach dem Putschversuch in ihre Heimat zurückberufen worden sind, sind nach Regierungsangaben nicht heimgekehrt. Insgesamt seien Außenminister Çavuşoğlu zufolge 208 Karrierediplomaten aus dem Ausland zurück in die Türkei beordert worden. Einige von den 32 hätten sich in andere Länder abgesetzt, sagte Çavuşoğlu bei einer Pressekonferenz mit seinem iranischen Kollegen Mohammad Javad Zarif.

Haft für Chef von prokurdischer Partei gefordert

Die türkische Staatsanwaltschaft hat für den Co-Chef der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, fünf Jahre Haft wegen Propaganda für eine Terrorgruppe beantragt. Demirtaş und Vizeparteichef Sırrı Süreyya Önder hätten 2013 in Reden die verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und deren inhaftierten Chef Abdullah Öcalan gepriesen, hieß es in der Anklage, wie die Nachrichtenagentur Dogan am Freitag meldete. Auch für Önder sei eine fünfjährige Haftstrafe gefordert worden. Im Mai war auf Betreiben des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan die parlamentarische Immunität von HDP-Abgeordneten aufgehoben worden.

Erdoğan wirft der HDP vor, der politische Arm der separatistischen PKK zu sein. Die HDP bestreitet direkte Verbindungen zu der Gruppe. Die Türkei, die USA und die EU führen die PKK als Terrororganisation. Zum Zeitpunkt der in der Anklage angeführten Reden bemühten sich die PKK und die Regierung um eine friedliche Lösung des Konflikts. Im Juli 2015 brach der zweieinhalb Jahre währende Waffenstillstand jedoch zusammen. Seither kommt es in den Kurdengebieten im Südosten zu Kämpfen wie seit dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen in den 90er-Jahren nicht mehr.

Massenflucht von Kurden aus Türkei erwartet

Wegen des harten Vorgehens des türkischen Präsidenten nach dem Putschversuch erwartet die Kurdische Gemeinde Deutschland eine Massenflucht nach Deutschland. "Kurzfristig rechne ich mit zehntausenden, mittelfristig mit einigen hunderttausend Schutzsuchenden aus der Türkei in Deutschland, wenn das Erdoğan-Regime die Minderheiten und die demokratische Opposition weiter bekämpft", sagt der Verbandsvorsitzende Ali Toprak der "Welt" vom Freitag.

Weil die Regierung bereits vor Monaten kurdische Hochburgen mit Strafaktionen überzogen habe, seien 500.000 Kurden innerhalb der Türkei auf der Flucht. Nach dem vereitelten Putsch kämen noch säkulare und oppositionelle ethnische Türken hinzu. "Viele werden in Europa neu anfangen wollen, wenn sie in der Türkei weiter unterdrückt werden. Es kann nicht sein, dass ein Staat, der selbst Flüchtlinge aufnimmt, im eigenen Land Flüchtlinge produziert", sagte Toprak. (APA, Reuters, 12.8.2016)