Wer den Verlockungen des Online-Windowshoppings erliegt, hat nicht nur Zeit und Geld gespart, sondern auch seine Privatsphäre hergebeutelt.

Fortan bekommt man höfliche und weniger höfliche, jedenfalls drängende Nachfragen – zu Kleidererwerb, Musikgeschmack, Essverhalten. Und wo Essverhalten, da ist auch Paarung nicht weit.

Das ist beruhigend, weil man das klare Gefühl vermittelt bekommt, wie wichtig man da draußen jemandem ist. Und dieser Jemand ist auch noch Legion. Gleichzeitig ist man auch etwas enttäuscht vom eher oberflächlich anmutenden Interesse an der von dieser Legion angepeilten Person. Spätestens dann, wenn man als nächste Datemöglichkeit ungefragt eine reife Dame in der Umgebung angeboten bekommt.

Die sitzt jetzt vermutlich irgendwo ganz nahe da wie bestellt und nicht abgeholt. Grausam eigentlich. Man könnte direkt ein schlechtes Gewissen bekommen. Aber dazu kommt es nicht, weil schon Zusteller foodora ein freundlich-besorgtes Lebenszeichen von sich gibt – man habe länger nichts mehr von sich hören lassen. Dabei gibt es jetzt neue Restaurants im Angebot!

"Was denn, noch mehr?", denkt man sich, und schielt auf den Bildschirm, ob hinterher auch eine Arztanfrage eintrudelt, die die Cholesterinwerte thematisieren möchte. Vorläufig nicht.

Dieser sogenannte gläserne Mensch bleibt immer noch irgendwie beschlagen. Die Beobachtung klappt nicht wirklich prächtig. Das hat der KGB lange vor Snowden besser draufgehabt. Vor allem bei Ausländern.

Der Diplomat, der mit plötzlichem Bandscheibenvorfall im zugewanzten Zimmer gefangen lag und bei dem zügig ein Arzt auftauchte, ohne dass er einen gerufen hatte, ist ein legendäres Beispiel. Ein weiteres ist die Reparatur des ausländischen Wagens, der im Waldgebiet hängenblieb – von zwei zufällig vorbeistreunenden Fachkräften.

Gute alte Zeiten! Da wurde man nicht nur durchleuchtet, sondern auch gleich maßgeschneidert serviciert. (Julya Rabinowich, 13.8.2016)