Damaskus – In der umkämpften syrischen Großstadt Aleppo haben Truppen des Assad-Regimes nach Angaben eines Krankenhausleiters sowie von Aktivisten Chlorgas eingesetzt. Den Anschuldigungen zufolge sollen Hubschrauber am späten Mittwochabend Behälter mit der ätzenden und potenziell tödlichen Chemikalie abgeworfen haben. Mindestens drei Menschen seien an den Folgen einer Vergiftung gestorben.
Sollten sich die Berichte bestätigen, handle es sich um ein "Kriegsverbrechen", sagte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, am Donnerstag in Genf. Die Vereinten Nationen würden die Berichte prüfen, für die es zunächst keine offizielle Bestätigung gab.
Aktivisten teilten Bilder und Videos im Internet, die die Behandlung von Opfern mit Atemproblemen zeigen sollen. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault äußerte sich besorgt: "Ich verurteile alle Angriffe auf die Zivilbevölkerung, besonders wenn chemische Waffen benutzt werden." Der syrischen Regierung, aber auch Aufständischen wird immer wieder der Einsatz verbotener chemischer Waffen vorgeworfen.
Steinmeier und Lawrow
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erneuerte angesichts der dramatischen Lage hunderttausender Zivilisten in Aleppo seine Forderung nach einem humanitären Zugang zu den Menschen unter Aufsicht der Vereinten Nationen. "Der humanitäre Zugang kann nicht der Eigenregie einer Seite des Konflikts unterstehen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Am Donnerstag wurde in Aleppo trotz der von Russland angekündigten dreistündigen Waffenruhe weitergekämpft.
Steinmeier sagte, er habe bei einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow deutlich gemacht, dass Russland als Unterstützer des syrischen Regimes sowohl bei der Frage der Waffenruhe als auch beim humanitären Zugang eine besonders große Verantwortung trage.
Russlands Luftwaffe unterstützt die Bodentruppen von Machthaber Bashar al-Assad mit massiven Luftangriffen. Obwohl Russland eigentlich eine dreistündige Feuerpause für humanitäre Hilfslieferungen angekündigt hatte, bombardierten Kampfjets weiter Stellungen der Rebellen im Osten Aleppos. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihren Sitz in London hat und ihre Informationen aus einem dichten Netz an Informanten bezieht, gab es dutzende Angriffe. Unklar war zunächst, ob syrische oder russische Kampfflugzeuge im Einsatz waren. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte, dass Angriffe durch syrische und russische Kampfjets auf Krankenhäuser mittlerweile zur Routine geworden seien.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu forderte Russland nach der Aussöhnung zwischen den Ländern dazu auf, gemeinsam gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vorzugehen. Russland unterstützt jedoch das Regime in Damaskus, während die Türkei die Ablösung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad fordert. Çavuşoğlu räumte ein: "Wir mögen anders denken, was Assad betrifft." (APA, 12.8.2016)