Wien – Die korrekte Aufteilung der Chromosomen ist ein wichtiger Schritt im Ablauf der Zellteilung und wird durch große, komplex aufgebaute Moleküle ausgeführt. Eine dieser "molekularen Maschinen" wurde nun von einem internationalen Forscherteam aus Österreich, Deutschland und den USA mit neuen Methoden untersucht und detailliert beschrieben.

Die Ergebnisse füllten insgesamt vier Publikationen, deren letzte nun im Journal "Molecular Cell" erscheint. Es geht dabei um Mikroskopie-Verfahren, mit denen diese Abläufe beobachtet werden können.

Alle Lebensformen der Erde pflanzen sich durch Teilung fort. Wenn sich Zellen teilen, müssen sie sicherstellen, dass ihre Nachkommen alle lebenswichtigen Inhalte erben. Am wichtigsten ist die korrekte Aufteilung und Weitergabe der genetischen Information, der DNA. Wenn bei diesem Schritt Fehler passieren und zu viele oder zu wenige Chromosomen in der Tochterzelle landen, bedeutet das oft den Tod dieser Zelle. Im schlimmeren Fall können Chromosomen-Abweichungen zur Entstehung von Krebs beitragen oder zu Fehlbildungen führen.

Synthetische Moleküle

Die molekularen Maschinen, die die Abläufe der Zellteilung ermöglichen, sind zumeist aus zahlreichen Elementen aufgebaut. Selbst große Moleküle bringen es auf kaum mehr als ein Zehntausendstel eines Millimeters – eine extreme Hürde für Forscher, die diese Moleküle untersuchen.

"Wären molekulare Maschinen sichtbar, könnten wir ihre Funktionsweise viel eher verstehen", sagte Jan-Michael Peters vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, der führend an der Arbeit beteiligt war. Nun sei dieser Wunsch Realität geworden: Eine am IMP entwickelte Technik erlaube es, die großen Moleküle synthetisch herzustellen und durch gezielte Manipulation auf ihre Funktion zu schließen. Die Methode erweist sich auch bei anderen Eiweißkomplexen als nützlich und wird bereits an Labors weltweit vertrieben.

Die Forscher kombinierten diese Methode mit einer weiteren Neuerung im Bereich der Elektronenmikroskopie, die Auflösungen im atomaren Bereich erlaubt. Die Proben werden dazu bei sehr tiefen Temperaturen eingefroren und mit Elektronenstrahlen abgetastet, deren Detektoren mit nie da gewesener Präzision messen. Auf diese Weise gelingt es, Eiweißmoleküle sichtbar zu machen, deren Durchmesser weniger als ein Hundertstel eines menschlichen Haares beträgt. Die Arbeiten am Elektronenmikroskop wurden im Labor von Holger Stark am Max Planck Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen durchgeführt.

Hoffnung auf noch detailliertere Darstellung

Neben den Forschern in Wien und Göttingen war auch Brenda Schulman vom St. Jude Children"s Research Hospital in Memphis an der Kooperation beteiligt. Mithilfe der neuen Techniken konnte ihr Team einen Komplex mit der Bezeichnung APC/C aufklären. "APC/C ist wichtig, weil es die Aufteilung der Chromosomen bei der Zellteilung einleitet", erläuterte Peters. "Und zwar erst, wenn alle anderen notwendigen Schritte abgeschlossen sind. Wäre das nicht so, würden laufend Zellen mit falschen Chromosomenzahlen entstehen – mit katastrophalen Folgen. Wir wussten aber bisher nicht, wie der APC/C-Komplex zum richtigen Zeitpunkt aktiviert wird."

Durch die Zusammenarbeit der drei Forschergruppen war es möglich, die APC/C-Maschine vor und nach der Aktivierung sichtbar zu machen. "Interessanterweise fanden wir, dass APC/C sich selbst anschalten kann – etwa so, wie ein Hybridauto selbstständig vom elektrischen in den Benzinantrieb schaltet und umgekehrt", kommentierte Schulman die Ergebnisse. "In Zukunft werden wir molekulare Prozesse in einer Detailtreue darstellen und verstehen können, wie wir es uns bisher nur erträumt haben", ergänzte Stark. (APA, red, 11. 8. 2016)