Einer aus der Heroenzeit der Sozialpartnerschaft: Herbert Krejci begleitete und gestaltete den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Er war einer aus der Heroenzeit der Sozialpartnerschaft. Einer jener Männer (es waren fast nur Männer), die den wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs nach dem Krieg im Geiste der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gestalteten. Als Generalsekretär der Industriellenvereinigung von 1980 bis 1992 war Herbert Krejci das Erlebnis der Dreißigerjahre und Nazi-Zeit so tief eingebrannt, dass er nie das überwölbende Prinzip der Sozialpartnerschaft aus den Augen verlieren wollte: "Die Grenze des Zumutbaren für den anderen zu wissen".

Als Vorsitzender des Aufsichtsrates des Kurier von 1972 bis 1990 verteidigte er – oft unter Zornesanfällen wegen seiner Meinung nach unverständiger Journalisten – die Grundfreiheiten des Zeitungsmachens ge gen Industrielle und ÖVPler, die dachten, es sei "ihre" Zeitung. Er war aufgeklärter Konservativer. Krejcis höchstes Lob über jemanden war: "Er ist ein Herr." Und er war selbst einer. Hochgewachsen, immer tadellos im Dreiteiler, mit altösterreichischer Artikulation, meist mit kräftiger Stimme vorgetragen. Er hatte scharfen Witz, der sich oft nicht um Empfindlichkeiten kümmerte, auch nicht um die der Mitglieder der Industriellenvereinigung oder der höheren Herren der ÖVP.

Nostalgisch aber klarsichtig

Er war umfassend gebildet – vor allem in der Historie – und wie so viele Bürgerliche seiner Generation ein nostalgischer Monarchist, der aber klarsichtig genug war, die Realität, auch die der noch lebenden Mitglieder des Kaiserhauses, zu erkennen. Während nicht wenige Industrielle jener Zeit eine, gelinde gesagt, "nationale" Einstellung hatten, wusste Krejci die entscheidende Rolle der großen jüdischen Unternehmer für die Industrialisierung zu würdigen.

1922 in Wien geboren, hatte er als Kind auf der Hohen Warte das Artilleriebombardement des Karl-Marx-Hofes miterlebt. Daraus und aus seiner Zeit in der Deutschen Wehrmacht war ihm unerschütterlicher Wille zur Zusammenarbeit über die sozialen Grenzen geblieben: "Die Führungsgeneration beider Seiten hat gesagt, die Feindschaft darf nicht wiederkehren". Dazu ein heftiges Misstrauen gegen Nutznießer und Verharmloser des Nationalsozialismus.

Nach der Heimkehr aus der britischen Gefangenschaft arbeitete er (als einer der wenigen mit Englischkenntnissen) als Außenpolitiker im Wiener Kurier. Ab 1956 dann in der Industriellenvereinigung, erst in der Pressestelle, schließlich als politischer Generalsekretär. Oft war nicht klar, wer die Politik der "Vereinigung" machte – er, der Manager der Interessenvertretung, oder die Präsidenten, von denen manche aus der ewigen Sozialpartnerschaft ausbrechen wollten.

Als der damalige Kurier-Eigentümer Ludwig Polsterer das Blatt verkaufen wollte, erkannte Krejci die Gefahr für die Meinungsvielfalt und organisierte eine Art Fundraising, bei dem sich über 300 Industrielle an der Zeitung beteiligten. Damit war die Gefahr der Übernahme durch Hans Dichands Krone und ein Meinungsmonopol abgewendet. Krejci war konservativ, aber weltoffen und –erfahren. In der Waldheim-Affaire ab 1986 war er Schild für kritische Berichterstattung des Kurier, auch weil er als ehemaliger Wehrmachtsoffizier das Herumdrucksen Kurt Waldheims letztlich verachtete.

"Ins Volk gehen"

Eine große Rolle spielte Krejci bei der Vorbereitung von Österreichs EU-Beitritt, wo es auch galt, manchen in der ÖVP Feuer unter dem Gesäß zu machen. Was er zu seinem 90. Geburtstag in einem STANDARD-Interview sagte, macht wehmütig angesichts der heutigen Politik: "Wir haben die Volksabstimmung 1994 im Kampf um die Stammtische gewonnen: ins Volk gehen, aber nicht eine blühende Welt schildern." Den Schwenk der Industriellenvereinigung zu Schwarz-Blau im Jahr 2000 sah er skeptisch. Den von vielen angebeteten Karl-Heinz Grasser ("gerade, dass sie ihm nicht die Kinder zum Segnen hingehalten haben") hatte er früh durchschaut. Krejci war einer jener Erbauer der Republik, die um den Wert der Kooperation und des Interessenausgleichs wussten. Das Aufkommen der perspektivlosen Wutpolitik trübte seine letzten Jahre. (Hans Rauscher, 10.8.2016)