Warum bekommt man immer noch Mails von nigerianischen Prinzen, die gegen einen vorab zu überweisenden Dollarbetrag bereit sind, ihre zukünftige Millionenerbschaft mit uns zu teilen? Die ernüchternde Antwort ist: weil es reingeht. Wir müssen mit der Gewissheit leben, dass es nach wie vor humanoide Lebensformen mit E-Mail-Account gibt, die bei diesem Idiotentest versagen. Die daraus zu ziehende Erkenntnis lautet: So blöd kann nichts sein, dass sich nicht doch jemand dafür findet.

Auf die Politik umgelegt war es daher auch nur eine Frage der Zeit, bis der erste Regierungschef eines EU-Landes eine Wahlempfehlung für Donald Trump abgeben würde. Dass Viktor Orbán mit diesem bei einer Rede vorgebrachten Ansinnen sogar bei der aus 2000 seiner Anhänger bestehenden Zuhörerschaft Gelächter auslöste, hielt ihn nicht davon ab, seine Unterstützung mit Trumps Ansichten zur Einwanderungspolitik zu begründen. Gerade bei diesem Thema versucht Orbán ja dem verhaltensoriginellen Milliardär nachzueifern und verhält sich dabei tatsächlich originell. Seiner offiziellen Überzeugung "Migration ist Gift" zum Trotz kann man in Ungarn um 300.000 Euro ein Aufenthaltsrecht kaufen. Dafür muss man aber nicht, wie in anderen Ländern, Immobilien erwerben, sondern "Staatsanleihen", für die 60.000 Euro "Vermittlungsgebühr" extra zu berappen sind. Diese "Vermittlungsgebühr" wiederum geht nicht direkt an den Staat, sondern an verschiedene Offshore-Firmen auf den Cayman Islands, Zypern und Malta, die sich im Dunstkreis von Freunden der Regierungspartei befinden und für ihre "Vermittlungstätigkeit" seit 2013 rund 320 Millionen Euro kassiert haben.

Migrationsgift lässt sich also mit Schmiersalbe an den richtigen Stellen lindern – welch bittere Ironie, dass Österreichs Pionier dieser Heilmethode, Uwe "Part of the game" Scheuch, ausgerechnet in Ungarn per Haftbefehl gesucht wurde.

Die Nutzbarmachung staatlicher Einwanderungspolitik für private Schutzgelderpressung ist durchaus symptomatisch für den moralischen "orban decay" unseres Nachbarlandes. Laut der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf werden in keinem anderen EU-Land mehr europäische Fördergelder missbraucht als in Ungarn. Zu einer Strafverfolgung kommt es dabei so gut wie nie. Nicht allzu verwunderlich, spielen einige Korruptionsfälle doch im unmittelbaren Umfeld Orbáns, wie beispielsweise die intransparente Vergabe öffentlicher Aufträge im Wert von 200 Millionen Euro an den Schwiegersohn des Gulasch-Erdogans.

Wenn man dazu noch bedenkt, dass zehn Prozent der ungarischen Wirtschaftsleistung auf mit europäischem Steuergeld finanzierten Investitionen basieren, wirkt es umso erstaunlicher, dass Kanzleiminister Lázár und Regierungssprecher Kovács offen mit einem EU-Austritt drohen. Eine gewagte Strategie, denn womöglich will man in Brüssel einen im Umgang mit Fördermitteln eher an Methoden der organisierten Kriminalität orientierten Partner gar nicht so dringend halten. Und ein 360.000 Euro teures Bleiberecht in einem Nicht-EU-Land könnte sich dann Richtung Ladenhüter entwickeln. Aber vielleicht haben ja schon ein paar nigerianische Prinzen daran Interesse bekundet. (Florian Scheuba, 10.8.2016)