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Die direkte Vernichtung von Lebensraum kostet die Erde mehr Arten als die Auswirkungen des Klimawandels.

Foto: APA/EPA/US FOREST SERVICE

Brisbane –Die Biosphäre unserer Erde wurde bereits mehrfach von großen Massenaussterben heimgesucht, doch während alle bisherigen auf natürliche Ursachen wie Vulkanausbrüche oder Asteroideneinschläge zurückzuführen sind, ist für die aktuelle allein der Mensch verantwortlich: Sie begann schon vor rund 8.000 Jahren, verzeichnete aber etwa seit dem Beginn der frühen Neuzeit eine enorme Beschleunigung. Heute gehen Wissenschafter davon aus, dass jedes Jahr bis zu 60.000 Spezies für immer von unserem Globus verschwinden. Diese enormen Zahlen sind vor allem auch dem Klimawandel anzukreiden – das zumindest dachte man bisher.

Ein nun präsentierter Beitrag kommt allerdings zu einem anderen Schluss: Die weltweite Artenvielfalt ist weniger von Klimaveränderungen als von altbekannten Gefahren wie der Übernutzung von Ressourcen und der Landwirtschaft bedroht, berichten Wissenschafter im Fachjournal "Nature". Die Fokussierung auf den Klimawandel könne dazu führen, dass Prioritäten beim Artenschutz falsch gesetzt werden, befürchten sie.

Waldrodung und Landwirtschaft

Die Forscher um Sean Maxwell von der University of Queensland in Brisbane (Australien) hatten fast 8.700 Spezies in ihre Analyse einbezogen, die auf der Roten Liste bedrohter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) stehen. Sie stellten fest, dass 72 Prozent von ihnen durch die Übernutzung von Ressourcen bedroht sind. Diese betreffe entweder die jeweilige Art selbst oder Teile ihres Lebensraums. So seien allein mehr als 4.000 Spezies durch Waldrodungen bedroht, schreiben die Forscher. Beispielhaft werden der Tropenvogel Borneowolltimalie (Ptilocichla leucogrammica), die indische Nikobaren-Spitzmaus (Crocidura nicobarica) und die Stumpfnasenaffen (Rhinopithecus) aus Myanmar genannt.

Der zweitwichtigste Faktor sei die Landwirtschaft, die 62 Prozent der einbezogenen Arten treffe, so die Forscher. Allein der Getreideanbau gefährde 4600 Arten wie die Fresno-Kängururatte (Dipodomys nitratoides) und den Afrikanischen Wildhund (Lycaon pictus), weil die dafür genutzten Flächen als Lebensraum verloren gingen. An dritter Stelle stehe die Urbanisierung.

Mehr als 2.700 Arten sind der Auswertung zufolge zudem direkt bedroht, weil sie gejagt, gefischt oder für die Tierhaltung gefangen werden – so zum Beispiel das Sumatra-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis), der Westliche Gorilla (Gorilla gorilla) und das Chinesische Schuppentier (Manis pentadactyla). Grundsätzlich spielten bei den meisten untersuchten Spezies mehrere Faktoren eine Rolle.

"Alte Feinde" bekämpfen

Mit Blick auf den Weltnaturschutzkongresses der IUCN auf Hawaii im September appellierte das Forscherteam an die Verantwortlichen, sich beim Thema Naturschutz nicht nur auf Klimafragen zu konzentrieren. Der Klimawandel könne zwar künftig eine große Gefahr für die Artenvielfalt darstellen, dringlicher sei es aber momentan, die "alten Feinde" zu bekämpfen.

James Watson von der University of Queensland, Koautor des "Nature"-Beitrags, erklärt in einer Mitteilung der Wildlife Conservation Society (WCS): "Schutzzonen, die Durchsetzung von Jagdregulationen und der Aufbau einer Landwirtschaft, die bedrohten Arten ein gleichzeitiges Überleben ermöglichen – all das spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, die Artenvielfalt zu erhalten."

Die Aufrechterhaltung einer intakten Fauna und Flora könne dann helfen, künftige Gefahren durch den Klimawandel zu entschärfen. Momentan stünden Gefährdungen hierdurch allerdings erst an siebenter Stelle der Ursachenliste – 19 Prozent der untersuchten Arten sind betroffen. (APA, red, 11.8.2016)