Der Errichtungsprozess könnte ins Stocken geraten.

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Wien – Eigentlich sollte es nicht mehr sein als ein Formalakt: Neben einer bestehenden Gasröhre eine zweite zu bauen und den Durchsatz verdoppeln. Bei Nord Stream 2 ist es anders. Das Projekt, bei dem auch die OMV mitmischt, wird immer mehr zum Politikum und – in übertragenem Sinn – zum Watschenmann der Polen.

Am 4. September 2015 wurde nach langem Hin und Her zwischen Gazprom und weiteren Unternehmen (neben OMV noch BASF, Eon, Royal Dutch Shell und Engie) vereinbart, neben der 2012 in Betrieb gegangenen Pipeline Nord Stream eine weitere Röhre durch die Ostsee zu legen. Die Vertragsparteien gründeten eine Projektgesellschaft in der Schweiz, an der Gazprom mit 51 Prozent, Engie aus Frankreich mit neun und die anderen Partner mit je zehn Prozent beteiligt sind.

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Von Beginn an gab es Querschüsse gegen das knapp zehn Milliarden Euro teure Projekt – auch aus Brüssel. Nach EU-Regeln müsste die Pipeline auch Dritten offenstehen. In der Ostsee sei das anders, sagt die andere Seite. Die Kapazität der bestehenden, 1.224 Kilometer langen Leitung von Wyborg nach Greifswald soll auf bis zu 110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr verdoppelt werden. Und dann spielt noch eine Rolle, dass Russland Gas unter Umgehung der Ukraine nach Westeuropa verkaufen will.

Starke Abhängigkeit von Gas

Gas ist nicht nur Devisenbringer Nummer eins der Russen; es ist auch ein Energieträger, auf den Europa angewiesen ist. Weil die Eigenproduktion zurückgeht, werden Importe immer wichtiger. Ungarn, Slowakei und Polen fürchten um ihre Transiteinnahmen, die Ukraine sowieso. Allein Kiew würde bei einem Wegfall des Gastransits rund zwei Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) pro Jahr verlieren. Während die Ukraine nur Zaungast ist, hat Polen eine gewichtige Stimme, wenn es darum geht, das Projekt ins Laufen zu bringen. Polen muss zustimmen, bevor Russen und Deutsche sich an die Umsetzung machen.

Während die deutschen Kartellwächter keine drei Wochen dafür brauchten, hat die Behörde in Warschau (UOKiK) immer neue Einwände gefunden. Kritikpunkt zuletzt: Nord Stream 2 könne mit der derzeitigen Konsortiumsstruktur eine wettbewerbsbeschränkende Konzentration nach sich ziehen. Bereits heute nehme Gazprom eine dominierende Position auf dem polnischen Gasmarkt ein. Diese werde noch gestärkt, wenn die russische Gesellschaft gemeinsam mit den größten europäischen Gasgesellschaften Nord Stream 2 betreibe. Die Nord-Stream-2-Konsorten haben bis kommenden Dienstag Zeit, Stellung zu nehmen.

Wiederholter Protest

Der polnische Widerstand ist nicht neu. Zweimal schon hat Warschau gemeinsam mit den Regierungen der baltischen und anderen osteuropäischen Länder bei der EU-Kommission schriftlich gegen Nord Stream 2 protestiert.

In die Sache involvierte Personen gehen davon aus, dass die Sache noch weiter in die Länge gezogen wird. Falls UOKiK keine Genehmigung erteilt, könnte die EU-Kartellbehörde mit der Sache betraut werden. Aber auch das geht nicht ruck, zuck. Damit gerät auch der Zeitplan ins Wanken. Dieser sieht einen Spatenstich für Nord Stream 2 zur Jahreswende 2017/18 vor – und erste Gaslieferungen im Laufe des Jahres 2019. (Günther Strobl, 9.8.2016)