Einst ein Mittelklassehotel für Touristen, dient das City Plaza im Athener Stadtviertel Patission nun rund 400 Flüchtlingen als Unterkunft.

christina pfaeffle

In der Hotellobby schneidet der junge Syrer Waiel Haare, außerdem gibt es einen Kindergarten und Sprachunterricht.

christina pfaeffle

Früher müssen hier Touristen gesessen und morgens auf den Bus zur Akropolis oder nach Korinth gewartet haben. Jetzt schneidet Waiel in der Lobby im Akkord Haare und zeigt immer wieder ein Foto auf seinem Handy. Zwei Verwandte des jungen Syrers haben gerade Schengenvisa erhalten. Waiel hat die Passseiten mit den Vermerken geknipst, als stolzen Beweis und weil es das Ende einer Odyssee ist. Morgen schon will er die Verwandten nach Deutschland mitnehmen. Waiel hat es dorthin im Jänner geschafft, bevor die Grenzen dichtgemacht wurden. Auf solche Nachrichten warten sie alle im City Plaza in Athen.

Es ist eines der Hotels, in dem Flüchtlinge leben, die seit Schließung der Balkanroute in dem Land gestrandet sind. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mietet sie an, ebenso wie Wohnungen im Parterre und Souterrain, um einige Tausend besonders Notbedürftige unterzubringen. Das City Plaza aber ist anders.

Kantine, Kindergarten, Sprachunterricht

Sieben Jahre stand das Mittelklassehotel leer, die Eigentümer hatten Konkurs angemeldet, die öffentliche Hand sollte es übernehmen. Dann kamen im Frühjahr die Autonomen und Migrantenaktivisten aus dem Nachbarviertel Exarchia und machten daraus ein Hotel für Flüchtlinge: mit Kantine, Kindergarten und Sprachunterricht. Ein unerhörter Luxus für die Mehrheit der derzeit knapp 40.000 Flüchtlinge auf dem griechischen Festland, die in improvisierten Lagern in Industriegebieten und in Militärbaracken bei derzeit 35 Grad im Schatten ausharrt und sich wenige Toiletten und Duschen teilen muss.

"Wir sind nur eine Blase inmitten dieses Chaos", sagt Nazim Lomani, Sprecher und Mitorganisator des Projekts. "Wir wollen einen anderen Weg zeigen, um Flüchtlinge unterzubringen." Denn was die linksgeführte Regierung mit den Flüchtlingen tue, sei planlos, sagt Lomani, der selbst einmal als Flüchtling aus Afghanistan nach Athen gekommen war. "Diese Leute sollten in der Stadt sein, die Sprache lernen, Arbeit finden."

Immerhin haben die Flüchtlinge in den Lagern zwischen Attika und Nordgriechenland nun einen Asylbewerberausweis erhalten, der ihnen kostenlose ärztliche Behandlung erlaubt. Auch eine SIM-Karte für das Handy gab es dazu. Denn monatelang war nichts geschehen. Weder konnten die Flüchtlinge weiter nach Europa ziehen noch einen Status in Griechenland erhalten. Eine überforderte griechische Asylbehörde vergab Termine nur über Skype und an wenigen Stunden in der Woche. Erst im Verein mit dem UNHCR und der europäischen Asylbehörde Easo brachte Athen innerhalb zweier Monate bis zum 1. August zumindest eine "Vorregistrierung" von Asylbewerbern zustande. Die Asylverfahren müssen jetzt erst einmal anlaufen.

Soziologen zu Besuch

110 Zimmer hat das City Plaza, rund 400 Flüchtlinge sind einquartiert, vornehmlich Eltern mit ihren Kindern. Strom, Wasser, Verpflegung der Gäste werden aus Spenden finanziert. Das City Plaza ist eine Berühmtheit geworden. Soziologen aus Westeuropa und den USA kommen, um das Flüchtlingshotel zu inspizieren.

Die Athener Stadtverwaltung nimmt die Besetzung des Hotels hin. Eine Lösung des Flüchtlingsproblems ist ohnehin nicht in Sicht. Nach wie vor funktioniert die Verteilung von Kriegsflüchtlingen über die anderen EU-Staaten kaum. Nur knapp 1.900 Menschen sind bis Ende Juni aus Griechenland in die EU und die Schweiz ausgeflogen worden. Dabei wurde von der EU die Verteilung von 66.400 Flüchtlingen bis September dieses Jahres beschlossen. Fünf EU-Staaten, darunter Österreich, ignorieren dies.

Nazim Lomani und seine Freunde haben das Metallgitter vor der Eingangstür des City Plaza im vergangenen April kurzerhand aufgeschweißt. Innen war noch alles intakt, das Mobiliar in den Zimmern und der Cafeteria vorhanden. Die Auswahl der Gäste ist wohl der schwierigste Teil der ganzen Unternehmung. Die Aktivisten aus Exarchia gehen pragmatisch vor. Sie akzeptieren nur zwei Kategorien von Flüchtlingen: jene, die sehr in Not sind, und jene, die im Hotel helfen können – Lehrer, Köche, Krankenpfleger.

"Wir haben keine Panik"

Im Flüchtlingskrisenstab der griechischen Regierung geben sich die Mitarbeiter gelassen angesichts des möglichen Platzens des Flüchtlingsdeals mit der Türkei. "Wir haben keine Panik", sagt Athanasios Koutsis, "wir beobachten die Situation, wir nehmen es nicht auf die leichte Schulter, aber wir hoffen, dass die EU im Ernstfall geschlossen reagiert."

Auch die Umsetzung des Abkommens stockt in Wirklichkeit. Nur 468 Flüchtlinge sind seit Inkrafttreten des Deals zurück in die Türkei gebracht worden. Knapp 9.700 Menschen werden in Lagern auf Lesbos, Kos, Chios und Leros festgehalten. Praktisch alle haben Antrag auf Asyl gestellt. Doch nicht einmal ein Sechstel ist bearbeitet: 1.500 Antragsteller sind bisher interviewt worden. 450 wurden danach abgelehnt. Sie sind in Berufung gegangen. (Markus Bernath aus Athen, 8.8.2016)