Komponist Dieter Kaufmann wurde unlängst 75 – der Carinthische Sommer ehrt ihn mit einem Porträtkonzert.

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Wien/Ossiach – Bei seinen Studienkollegen in den frühen 1960er-Jahren an der Wiener Musikhochschule war sein Name ein Running Gag. Ausgerechnet er würde Kaufmann heißen, lachten sie, der so gegen gesellschaftliche Ordnungsstrukturen ankämpfte. Er absolvierte sein Kompositionsstudium zwar mit Bravour, suchte aber auch hier eigene Wege, indem er etwa die obligate Zwölftontechnik mit der herkömmlichen Tonalität verband – was einst wohl nicht ganz im Sinne des Erfinders war.

1941 in Wien geboren und dann in Kärnten aufgewachsen, hat Dieter Kaufmann immer wieder zwischen diesen Orten gewechselt. Und noch heute pendelt er regelmäßig zwischen Feldkirchen und der Bundeshauptstadt, die ihm – als jungem Menschen – bald etwas zu eng geworden war.

So zog es ihn Ende der 1960er-Jahre nach Paris, wo er bei keinem Geringeren als Olivier Messiaen studierte, während er sich zugleich intensiv elektronischer Musik zuwandte. Und das war dann jener Bereich, mit dem sich Dieter Kaufmann für viele Jahrzehnte beschäftigen sollte.

Zurück in Wien, wurde er denn auch Lehrer für elektroakustische Musik an der Musikhochschule, später Professor für Komposition und elektroakustische Komposition sowie Präsident der AKM (Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger).

Teil der Garde

Das mag alles denkbar etabliert klingen, doch der Eindruck täuscht. Zwar schrieb ihm der gestrenge Kritiker Hans Weigl im Jahre 1984: "Sie sind ein großer Komponist. Sie sind nicht Avantgarde. Sie sind Garde." Doch bei aller Anerkennung hat sich der Musiker nie so benommen, als ob er angekommen wäre.

Mit seiner Frau, der Schauspielerin Gunda König, gründete er 1975 das K & K Experimentalstudio und blieb im musiktheatralen Bereich ebenso umtriebig wie in der Elektronik, deren rasante Entwicklung er über Jahrzehnte nicht nur miterlebte, sondern als österreichischer Pionier mitprägte.

So hat Kaufmann ausgehend von der Musique concrète, die mit Aufnahmen realer Alltags- und Naturgeräusche arbeitet, sich eine reiche Klangwelt geschaffen, in der die elektronische Sphäre mit traditioneller Klangerzeugung immer wieder neu amalgamiert wird. So hat er etwa Bachs berühmte Air mit einer Vielzahl von Maschinengeräuschen realisiert oder Debussys Tondichtung La Mer mittels akustischem Morphing mit dem Klang des echten Meers vermischt.

In seinem weit mehr als 100 Nummern umfassenden Werkkatalog kommt immer wieder das Anliegen zum Vorschein, die Welt, wie sie ist, nicht einfach hinzunehmen. "Politisch ist Dieter Kaufmann in seinen Werken fast immer, auch wenn es sich nicht um explizit politische Kompositionen handelt", schreibt seine Biografin Sabine Reiter.

Wirkliches verändern

Schon 1969 schrieb er sein Oratorium gegen die Gewalt nach Texten von Ingeborg Bachmann, 1990 Musik zu faschistischen Texten, 2000 sein großes Werk Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - ein aufrüttelndes Plädoyer für bedingungslose Humanität.

Wie sagt Dieter Kaufmann selbst: "Der Anspruch der Kunst wird immer daran zu messen sein, wie weit es ihr gelingt, die Wirklichkeit zu verändern." Beim Carinthischen Sommer gibt es nun am Montag die Gelegenheit, Werke dieses "Wirklichkeitsgestalters" zu erleben. (Daniel Ender, 8.8.2016)