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Wien – Martin Ivancsics, ORF-Stiftungsrat des Burgenlands, sieht eine sehr direkte Verbindung zwischen den Teams von ORF-Generalskandidat Richard Grasl und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll – die ihn "fassungslos" mache. Und Ivancsics war selbst einmal Büroleiter des burgenländischen Landeschefs Hans Niessl.

Dienstag bestellen die 35 Stiftungsräte des ORF mit einfacher Mehrheit den nächsten ORF-Generaldirektor ab 2017. Amtsinhaber Alexander Wrabetz wird insbesondere von den roten Räten unterstützt, Herausforderer Richard Grasl, bisher Finanzdirektor im ORF, von den schwarzen. Beide Fraktionen brauchen weitere Stimmen für die Mehrheit.

Beide Kandidaten und ihre Teams, Stiftungsräte und Parteien kämpfen mit Versprechungen bis Drohungen, aber auch mit gezielten (Fehl-)Informationen etwa über den (angeblich schon sicheren) Stand des Stimmverhaltens einzelner Räte.

Rote Chance

Hellhörig werden Kandidaten und ihre Teams, wenn ein roter Rat Zweifel äußert, ob er Wrabetz seine Stimme gibt. Ivancsics hatte vergangenen Mittwoch mit Wrabetz und mit Grasl Termine. Dem bürgerlichen Kandidaten sagte er: Wenn ihm Wrabetz nicht noch schlüssig erklären kann, wie dessen geplante Führungsstruktur für die ORF-Information funktionieren soll und warum sie Verbesserungen bringe, dann könne er nicht für Wrabetz stimmen.

Direkter Draht

So schildert Ivancsics dem STANDARD sein Gespräch mit Grasl – und was, zu seiner Überraschung, dann geschehen sei: Gegen 17.30 Uhr habe er sich vom bürgerlichen Generalskandidaten verabschiedet. 35 Minuten danach rief ihn der Pressesprecher von Landeshauptmann Niessl, Herbert Oschep, an.

Oschep berichtet Ivancsics von einem Anruf seines Gegenübers aus Niederösterreich, Peter Kirchweger, dem Pressesprecher von Landeshauptmann Erwin Pröll. Kirchweger habe Oschep versprochen, wenn Grasl General würde (mit Ivancsics Stimme), dann würden alle Wünsche Niessls an das ORF-Landesstudio erfüllt: So zumindest beschreibt Ivancsics dem STANDARD seinen Wissensstand über das Gespräch.

Er sei "fassungslos" über den Anruf aus Niederösterreich binnen einer halben Stunde nach seinem Termin, sagt Ivanscics: "Wie würde das sein, wenn Grasl Generaldirektor wird? Dagegen war Monika Lindner harmlos." Monika Lindner war ORF-Generaldirektorin von 2002 bis 2006, davor ORF-Landesdirektorin in Niederösterreich.

Anruf ja, Angebot nein

Oschep bestätigt auf Anfrage den Anruf Kirchwegers, offenbar kurz nach Ivancsics' Termin bei Grasl. Der Niessl-Sprecher verneint aber ein Angebot des Niederösterreichers, wie es Ivancsics schildert.

Prölls Sprecher Peter Kirchweger weist die Beschreibung als "aus der Luft gegriffen" zurück: Er sei Jahrzehnten Pressereferent und habe zu vielen Pressereferenten anderer Landeshauptleute ein "sehr gutes Verhältnis". Die Zusammenarbeit zwischen Niederösterreich und Burgenland sei "hervorragend und wichtig". Aber: "Die anstehende Wahl des ORF-Generaldirektors und das Wahlverhalten war da nie ein Thema." Kirchweger verweist auf seine Mitgliedschaft im ORF-Kuratorium, dem Vorgänger-Gremium des Stiftungsrats: "Ich weiß, wie man in solchen Fragen nicht zu handeln hat."

Wrabetz-Stimme

Sozialdemokrat Ivancsics kann nach einem weiteren Gespräch mit Wrabetz übrigens seine Stimme dem Amtsinhaber geben, sagt er. Wrabetz habe ihm seine Struktur und Pläne für die Information schlüssig erklärt. Ivancsics sagt Grasls Konzept im Sinne von Wrabetz' Argumentationslinie eine "bedenkliche Konzentration in einer Hand" nach, weil Finanzen und Technik dort zum Generaldirektor ressortieren sollen.

Während Grasl einen TV-Infodirektor vorschlägt, sollen bei Wrabetz Chefredakteure der ORF-Kanäle deren Channel-Managern unterstehen, und die wiederum dem ORF-General.

Burgenländische Anliegen

Die Zukunft der ORF-Information interessiert Ivancsics übrigens nicht allein strukturell. Ivancsics, vom Burgenland entsandt, aber laut Gesetz weisungsfrei und unabhängig allein den Interessen des ORF verpflichtet, beklagt sich über die überregionale Berichterstattung des ORF zum Burgenland.

Seit Beginn der Regierungskoalition von SPÖ und FPÖ im Burgenland sieht er "nur mehr Negativmeldungen" über sein Land, etwa im "Report". Wenn das Burgenland beste Werte in Konjunktur oder Tourismus vorzuweisen habe, werde es in ORF-Berichten über solche Konjukturdaten nicht erwähnt. Ivancsics Beschwerde: "Das Burgenland kommt nicht positiv vor." (fid, 7.8.2016)