Staatsdoping in Brasilien? Ziel seien viele Medaillen, "egal, ob sauber oder nicht".

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Die deutsche Nationale Anti Doping Agentur (NADA) hat nach Berichten über fehlende Dopingkontrollen im Olympia-Gastgeberland Brasilien eine Untersuchung gefordert. "Die WADA muss die Vorgänge in Brasilien prüfen. Wenn sich bewahrheitet, dass brasilianische Olympia-Teilnehmer vor den Spielen nicht kontrolliert wurden, muss dies entsprechende Konsequenzen haben", sagte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann.

Nach Angaben der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat Brasilien im Monat vor den Spielen bei seinen "führenden Athleten" keine Dopingtests mehr vorgenommen. Nach einem Bericht der britischen Zeitung "Times" bestätigte das Sportministerium, dass es keine Kontrollen zwischen dem 1. und 24. Juli gegeben habe. In dieser Zeit war das Doping-Kontrolllabor in Rio de Janeiro von der WADA suspendiert gewesen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sieht keine Probleme mit fehlenden Dopingtests im brasilianischen Team. IOC-Sprecher Mark Adams sagte am Samstag in Rio de Janeiro: "Wir vertrauen sehr darauf, dass die Brasilianer ordnungsgemäß getestet wurden."

Auch der Sprecher des Organisationskomitees der Rio-Spiele, Mario Andrada, versicherte, die Mannschaft sei den Regeln entsprechend kontrolliert worden. "Der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Carlos Nuzman, hat noch einmal bekräftigt, dass bei Doping null Toleranz gilt", betonte Andrada auf der täglichen Pressekonferenz von IOC und Organisationskomitee.

Gravierende Vorwürfe

Die WADA hatte Ende Juni mitgeteilt, dem brasilianischen Labor für Dopingkontrolle (LBCD) die Akkreditierung wegen "einer Nichtübereinstimmung mit dem Internationalen Standard für Laboratorien (ISL)" vorübergehend zu entziehen. Der scheidende WADA-Boss David Howman sprach gegenüber neuseeländischen Medien von "ziemlich verstörenden" Problemen, offenbar technischer Art, die zu dem drastischen Schritt führten. Untersuchungen, die planmäßig im Labor von Rio durchgeführt werden sollten, werden bis auf weiteres von anderen Einrichtungen mit WADA-Akkreditierung weltweit durchgeführt.

Die Universität von Rio als Verantwortliche für das Labor gab sich in einer Mitteilung zuversichtlich, dass die "Tätigkeiten im Juli nach einer technischen Visite der WADA zur Normalität zurückkehren". Das dürfte nicht geschehen sein.

Der deutsche Doping-Experte Fritz Sörgel hält Staatsdoping wie in Russland für möglich." Das ist ein Skandal. Es ist natürlich wieder mal kennzeichnend. Es zeigt, wie getrickst wird", sagte Sörgel. "Nach den schlechten Erfahrungen mit Russland muss man fragen: Gibt es in Brasilienauch Staatsdoping? Oder es war eine Chance, sich über etwas längere Zeit zu entdopen, um einen Skandal vor Olympia zu vermeiden", sagte Sörgel.

Die WADA will am 1. Juli von Luis Horta, einem leitenden Angestellten der brasilianischen Anti-Doping-Agentur, davon unterrichtet worden sein, dass das Sportministerium des Landes bei einigen Top-Athleten unangemeldete Kontrollen gestoppt habe. Auch das nationale Olympische Komitee Brasiliens habe dahingehend Druck ausgeübt, berichtete Horta. Er sprach von einem Zeitraum von 45 Tagen vor den Spielen ohne Tests. Ziel seien so viele Medaillen wie möglich gewesen – "egal, ob sauber oder nicht". (sid, red, 6.8.2016)