Am 16. Juli hatten Erdogan-Sympathisanten in Wien unangemeldet gegen den Putsch in der Türkei demonstriert. Danach war eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit spontaner Demos ausgebrochen.

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Wien – Auch spontane Demonstrationen werden vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit geschützt und können nicht ohne weiteres aufgelöst werden. Darauf verweist Christian Piska vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien gegenüber der APA. Seit den Demonstrationen gegen den Putschversuch in der Türkei schwelt eine Debatte über den Umgang mit unangemeldeten Demonstrationen.

Diskutiert werden Beschränkungen des Versammlungsrechts immer wieder: Aktuell wollen Innen- und Justizministerium nach Demonstrationen österreichischer Erdogan-Unterstützer die Rechtslage prüfen und die FPÖ kritisierte die Polizei dafür, unangemeldete Kundgebungen nicht aufzulösen. Vor zwei Jahren hatte eine "Bademantel-Parade" zu Ehren des 80ers von Udo Jürgens für Diskussionen über "Spaß-Demos" gesorgt.

Einschränkungen

Die Versammlungsfreiheit ist sowohl im Staatsgrundgesetz (Art. 12) als auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert. "Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten", heißt es im Artikel 11 der EMRK. Einschränkungen sind nur erlaubt, soweit sie in einer demokratischen Gesellschaft nötig sind, um Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral sowie Rechte und Freiheiten anderer zu schützen.

In Wien 2015 13 Versammlungen untersagt

Zwar ist eine "allgemein zugängliche Versammlung" spätestens 24 Stunden vorher bei der Bezirkshauptmannschaft bzw. der Landespolizeidirektion anzumelden. Dies dient laut Wiener Polizei aber vor allem der Erleichterung der Einsatz- und Verkehrsplanung. Ein Verbot ist nur möglich, wenn eine Kundgebung "die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet" oder wenn ihr Zweck "den Strafgesetzen zuwiderläuft". Also etwa bei Gewaltaufrufen oder NS-Wiederbetätigung. In der Praxis kommt das selten vor: In Wien wurden 2015 14.078 Versammlungen angemeldet – untersagt wurden 13.

Eine explizite Genehmigung der Kundgebung ist somit, anders als vielfach angenommen, nicht nötig. Auch die Auflösung nicht angemeldeter "Spontanversammlungen" ist nur unter den oben genannten engen Voraussetzungen möglich – also etwa, wenn es zu Gewalt oder Sachbeschädigung kommt. "Wenn sich jemand ohne Anzeige spontan versammelt, ist das allein kein Auflösungsgrund", betont Piska.

Linke gegen Rechte

In der Praxis führen auch Ausschreitungen nicht zwangsläufig zur Auflösung, heißt es bei der Landespolizeidirektion – etwa wenn die Beendigung unverhältnismäßig oder nicht durchsetzbar wäre. Letzteres war etwa der Fall, als Mitte Juni rechtsradikale Identitäre und linksradikale Gegendemonstranten aneinandergerieten und die Polizisten vor Ort vollauf damit beschäftigt war, die Demonstranten zu trennen: "Oft sind die Kräfte gebunden und ein Auflösen ist faktisch nicht möglich", so ein Sprecher der Polizei. (APA, 6.8.2016)