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Stresstest hält er für eine "theoretische Übung", mit dem Eigenkapital der Ersten fühlt er sich wohl: Bankchef Andreas Treichl.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Wien – Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen 2016 der Erste Group am Freitag gab es zufriedene Gesichter (die Bank schrieb mit fast 842 Millionen Euro den höchsten Netto-Halbjahresgewinn ihrer Geschichte), einen tollen Ausblick (auf Wien: Der Konferenzraum ist im zwölften Stock, weit oben in der neuen Zentrale) und einen nackten Mann.

Es handelt sich dabei um das lebensgroße Selbstporträt des 2010 verstorbenen kroatischen Künstlers Tomislav Gotovac, der sich 1994 nackt und nach Westen blickend auf dem Dach seines Hauses in Zagreb fotografiert hat. Das Bild aus der Kunstsammlung des Instituts hängt im Gang vor den Meetingräumen. Und: Der Künstler schaut nun gen Osten.

Gewinne im Osten

Denn: Dort macht die Erste Group einen Großteil ihrer Geschäfte und ihres Gewinns. Und die Geschäfte laufen gut. Die tschechische Großsparkasse Česká spořitelna etwa verdiente mit fast 290 Millionen Euro um 15 Prozent mehr als per Juni des Vorjahres, die slowakische Tochter um 50 Prozent mehr (134 Millionen Euro). Ungarn drehte von der Verlust- in die Gewinnzone. Aus dem Österreich-Geschäft kamen hundert Millionen Euro Ertrag (Erste Bank Österreich beziehungsweise Sparkassen).

Den Weg zu diesem Ergebnis (siehe Grafik) beschrieb Konzernchef Andreas Treichl vor Journalisten so: Er "war hart, lang und schmerzhaft, aber jetzt haben wir es geschafft". Zur Erinnerung: 2011 und 2014 hat das börsennotierte Institut hohe Verluste eingefahren, musste seine Bilanzen mittels Milliardenabschreibungen auf Kredite in Osteuropa und auf Banktöchter aufräumen.

Die Watschen

Treichl drückte das auf die ihm eigene lockere Art so aus: "Die Watschen, die wir uns abgeholt haben in den letzten Jahren, haben sich ausgezahlt. Wir haben ordentlich bereinigt." So kam es, dass trotz rückläufigen Betriebsergebnisses (minus elf Prozent) ein Rekordgewinn übrigblieb. Neben dem Erlös aus dem Verkauf der Visa-Beteiligung trugen dazu besonders die gesunkenen Risikovorsorgen bei. Der Anteil notleidender Kredite am Gesamtkreditvolumen (NPL-Quote) ist binnen eines halben Jahres von 7,1 auf 5,8 Prozent gesunken. Zum Teil wurden Wertberichtigungen für Kredite auch wieder aufgelöst.

Was das Eigenkapital betrifft (13,3 Prozent harte Kernkapitalquote), fühlt sich die Erste laut Treichl gut aufgestellt. Derzeit ist geplant, die Dividende auf 1,10 Euro je Aktie zu verdoppeln – allerdings will Treichl noch abwarten, ob die Aufsicht eine weitere Kapitalaufstockung verlangt.

Stresstest: Theoretische Übung

Stichwort Kapital: Am jüngsten Bankenstresstest ließ Treichl kaum ein gutes Haar – jedenfalls nicht an den getroffenen Annahmen. Die seien zum Teil realitätsfremd gewesen; "die Verwirklichung der Annahme eines Zinsanstiegs um 1,5 Prozent würde mich freuen", meinte er.

Stresstests seien "immer sinnvoll, weil sie einen zum Nachdenken anregen", im Übrigen aber nur "eine theoretische Übung". Dass Raiffeisen und Erste nach dem Stresstest als kapitalschwach dargestellt wurden, hält Treichl "für verzichtbar". Er hoffe, dass "unsere Aufsicht bald beginnt zu differenzieren".

Mit seiner Kritik an der Nullzinspolitik der Zentralbanken hielt der Banker noch weniger hinterm Berg. Dass es für Normalbürger keine risikoarmen Anlagemöglichkeiten mit Ertrag gebe und "junge Leute von Beginn weg keine Chance haben, von ihrem Nettoverdienst etwas zur Seite zu legen", werde noch zu einem "riesigen Problem" werden und zu einer "echten Altersverarmung" führen, warnte er. Darüber sollten die Notenbanken diskutieren. (gra, 5.8.2016)