Wie die Mitarbeiter bei den Arbeitsmarktservices mit Regelverstößen umgehen entscheidet die Politik. Das Thema kommt mit schöner Regelmäßigkeit auf den Tisch.

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Wien – Die ÖVP will die Zumutbarkeitsregeln, welche Job Arbeitslose annehmen müssen, verschärfen. Mit strengeren Zumutbarkeitsgrenzen sollen Arbeitslose und Flüchtlinge schneller einen Job bekommen, sagte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zur "Presse". Die SPÖ lehnt Verschärfungen der Zumutbarkeitsregelungen ab und verweist auf den Mangel an Arbeitsplätzen.

Schon im Vorjahr stand das Thema auf der sommerlichen Regierungsagenda. Folgende Eckpunkte für eine Reform wünscht sich die ÖVP: Die zumutbare Fahrzeit für Arbeitslose soll um eine halbe Stunde auf 2,5 Stunden pro Tag erhöht werden. "Es gibt aber viele Arbeitnehmer, die länger als eine Stunde in die Arbeit fahren müssen, also wäre dies Arbeitslosen auch zumutbar", sagte ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald der Kleinen Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). Bei Betreuungspflichten für Kinder, die jünger als zehn Jahre oder behindert sind, soll die zumutbare Arbeitszeit laut Lopatka von derzeit 16 auf 20 Stunden pro Woche erhöht werden, weil Unternehmen meist Vollzeit- oder Halbtagsstellen anbieten.

Geringe Fallzahl

Der Entgeltschutz, eine Orientierung an der Bezahlung der vorherigen Stelle, soll nach Ansicht der ÖVP nur mehr 100 Tage gelten, anstatt derzeit 120 Tage. Außerdem drängt sie auf strengere Sanktionen bei Arbeitsverweigerung, dann nämlich soll der Entzug des Arbeitslosengeldes schon beim ersten Mal auf acht Wochen ausgedehnt werden.

Derzeit werden Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe für sechs Wochen und nur im Wiederholungsfall für acht Wochen gesperrt. Im Jahr 2015 gab es laut Arbeitsmarktservice (AMS) 14.260 Sperren wegen Verweigerung oder Vereitelung einer Arbeitsaufnahme oder Schulungsmaßnahme. Diese "Missbrauchsfälle" betrafen demnach nur etwa 14 Prozent aller Sperren. Bei wiederholter Jobverweigerung kann das Arbeitslosengeld komplett gestrichen werden, was aber im vergangenen Jahr nur 225 Mal gemacht wurde.

Als "zumutbare Beschäftigung" wird im Arbeitslosenversicherungsgesetz ein Job verstanden, der den körperlichen Fähigkeiten entspricht, die Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und gesetzliche Kinderbetreuungspflichten ermöglicht. Außerdem ist für die Zumutbarkeit einer Beschäftigung entscheidend, dass diese in angemessener Zeit erreichbar ist.

Stöger: "Sommerloch-Debatte"

Die SPÖ lehnt eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen: "Es handelt sich um eine jährlich wiederkehrende Sommerloch-Debatte", hieß es aus dem Büro von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) zur "Presse". Hier werde "versucht, den Arbeitslosen die Schuld am Mangel an Arbeitsplätzen in die Schuhe zu schieben. Vielmehr sollte unser Augenmerk darauf liegen, die Konjunktur zu beleben."

Am österreichischen Arbeitsmarkt herrscht derzeit ein großer Mangel an Arbeitsplätzen: 379.679 vorgemerkten Arbeitslosen und arbeitslosen Schulungsteilnehmern des AMS stehen 43.800 offene Stellen gegenüber. Demnach kommen auf eine offene Stelle rechnerisch 8,66 Arbeitslose. Die "Arbeitsplatzlücke" liegt bei 335.879 fehlenden Jobs.

Auch bei den Lehrlingen gibt es deutlich mehr Lehrplatzsuchende als Lehrstellen im Angebot. 8.551 Lehrstellensuchenden stehen 3.565 angebotene Lehrstellen gegenüber. Demnach kommen auf eine offene Lehrstelle rechnerisch 2,4 Lehrplatzsuchende. Die "Lehrstellenlücke" liegt demnach bei 4.986 fehlenden Lehrstellen. Alle Zahlen sind von Ende Juli 2016.

"Nicht die große Mehrheit"

Die Wirtschaftskammern in Oberösterreich und Tirol haben kürzlich eine Diskussion über die Arbeitsmoral von Arbeitslosen angestoßen. Moderate Töne schlägt nun die Wirtschaftskammer-Tourismus-Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher an: Hier zu verallgemeinern und eine Neiddebatte loszutreten halte sie für den falschen Weg. "Dass manche Bewerber kein wirkliches Interesse haben zu arbeiten, ist Fakt. Die große Mehrheit ist das sicher nicht", sagte Petra Nocker-Schwarzenbacher den "Salzburger Nachrichten". Sie selbst melde nach jedem Bewerbungsgespräch dem Arbeitsmarktservice, wie es verlaufen sei. "Eine bessere Kooperation zwischen AMS und Unternehmen ist wohl der beste Schutz, Missbrauch zu vermeiden."

Für den AMS-Vorstand Johannes Kopf gibt es kein großes Problem mit kompletter Arbeitsunwilligkeit bei arbeitslosen Personen. "Es sind viel weniger als man glaubt", sagte Kopf kürzlich. Was den Arbeitsort in Österreich und die Arbeitsbedingungen betreffe, seien manche Arbeitslose aber wählerischer geworden, als das Gesetz erlaubt. Es gehe nicht um Arbeitsverweigerung, sondern Unzufriedenheit mit dem konkreten angebotenen Job. (APA/red, 4.8.2016)