Das Bedürfnis, die Juli- und Augusttage und die – bisher nicht üppig gesäten – warmen Abende voll auszukosten, den Sommer mit jeder Faser aufzusaugen, ist heuer besonders groß. Denn wie eine Bleidecke hängt über Europa, was sich wie der große Winter anfühlt, einer, der mit der astronomischen Jahreszeit nichts zu tun hat.

Es ist der Sommer des Missvergnügens, der Sorge, der Verlustängste. Es bedarf einer geradezu fahrlässigen Lebensfreude – wer sie hat, dem sei sie herzlichst gegönnt, vor allem den jungen Leuten -, nicht an das zu denken, was da geballt über uns hereinbricht: von einer misslungenen Bundespräsidentenwahl über, viel schlimmer, die Zerfallserscheinungen der EU, über eine Türkei, die sich als bei weitem nicht so stabil erweist, wie man dachte, bis zu einem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Wenn es denn nur dabei bleibt und nicht ein Präsident daraus wird.

Und die Kriege vor unserer Tür, die Toten im Meer, die Sorge, ob wir es wirklich "schaffen" mit den Flüchtlingen und Migranten und auf dem Kurs von Freiheit, Demokratie und Inklusion bleiben, den wir in Europa für unumkehrbar hielten. Und die surreale Angst vor dem großen organisierten Terror und vor dem kleinen individuellen, den keine Polizei der Welt verhindern kann.

Das Gefühl, es müsse immer nur bergauf gehen, ist uns abhandengekommen. Wie tief das Tal ist, das uns erwartet, ist die Frage dieses Sommers. (Gudrun Harrer, 2.8.2016)