Microsoft hat am Dienstag damit begonnen, die zweite große Aktualisierung für Windows 10 zu verteilen. Anlässlich des kürzlichen einjährigen Geburtstags des Betriebssystems trägt dieses den Beinamen "Anniversary Update", vormals entwickelt unter dem Arbeitstitel "Redstone". Und es bringt einige Neuerungen mit, die Erleichterungen und zusätzlichen Nutzen bringen sollen. Über das Media Creation Tool sind auch bereits Windows 10-Imagefiles zu haben, die die Aktualisierung schon beinhalten.

Erweitert werden etwa die Möglichkeiten der Sprachassistentin Cortana und die Möglichkeiten für die Verwendung von Stiften. Auch Sicherheitsverbesserungen bringt das "Jahrestags-Update" mit. Zudem integriert Microsoft ein Stückchen Linux in sein System. Hier nun eine Auswahl der wichtigsten Neuerungen des Pakets:

Windows Ink

Windows 10 unterstützt seit Veröffentlichung die Eingabe mit Stiften auf Geräten, die über einen Digitizer verfügen. Allerdings war diese noch einigermaßen rudimentär implementiert. Unter dem Namen "Windows Ink" gesellen sich nun neue Funktionen, Apps und vor allem eine technische Basis für Drittanbieter hinzu.

Foto: derStandard.at/Pichler

In das System integriert wird etwa ein "Sketchpad". Die App liefert einfache Funktionen für die Stifteingabe und soll es so ermöglichen, schnell Skizzen anzufertigen. Wer kurze Informationen oder Erinnerungen hinterlegen möchte, findet wiederum "Sticky Notes" vor, das digitale Pendant zu herkömmlichen Klebenotizen. Wichtige Apps wie Office wurden zudem um zusätzliche Features ergänzt. So gibt es ein digitales Lineal zum Vermessen und Zeichnen gerade Striche, die Handschrifterkennung wurde verbessert und mathematische Formeln werden ebenfalls direkt umgewandelt.

Das große Potenzial von Ink liegt allerdings in seinen für den User unsichtbaren Möglichkeiten. Ink liefert Schnittstellen, über welche Drittanbieter diverse stift-basierte Features einfach in eigene Programme integrieren können.

Mehr Cortana

Die Sprachassistentin bekommt mit der Aktualisierung neue Fähigkeiten für ihr Repertoire. Dazu laufen nun auch die Web-Suche und die Desktop-Suche auf Windows 10 unter ihrem Namen, obwohl sie eigentlich auf unterschiedlichen Diensten basieren. Eine Änderung, die bereits im Vorfeld für Verwirrung gesorgt hat.

Mit dem Anniversary Update startet Cortana nun auch offiziell in Österreich. Sie ist nun auch am Sperrbildschirm verfügbar, kann Notizen hinterlegen, Erinnerungen verfassen, Outlookeinträge anlegen oder Musik abspielen, ohne dass man sich einloggen müsste.

Das Update bringt Windows 10 auf die Buildnummer 1607.
Foto: derStandard.at/Pichler

Windows Hello

Unter dem Namen Windows Hello hat Microsoft schon vor einigen Monaten biometrische Login-Funktionen für Windows 10 Mobile und Windows 10 verfügbar gemacht. Diese werden nun ausgeweitet.

Künftig sollen auch Apps und Webseiten davon Gebrauch machen können. Sofern eine passende Kamera vorhanden ist, können sich Nutzer etwa per Gesichts- oder Iris-Scan einloggen. Die technische Umsetzung war schon bisher zuverlässig, Datenschützer stehen biometrischen Anmeldeverfahren allerdings schon lange skeptisch gegenüber.

Tabletmodus

Ein für viele Nutzer bedeutendes Ärgernis hat Windows 10 beseitigt, in dem es dem Start-Button wieder ein klassisches Startmenü beschert hat. Dazu kann das System automatisch oder auf Knopfdruck in eine Tabletansicht umschalten.

An dieser hat Microsoft für das Update herumgewerkt, sie erinnert nun teilweise wieder an Windows 8. Die App-Auswahl ist nun kein "Hamburger-Menü" in der Seitenleiste mehr, sondern füllt wieder den ganzen Bildschirm aus, was eine bessere Übersicht bietet. Gescrollt wird allerdings in die Vertikale und nicht, wie einst, horizontal

Aus einer vordefinierten Liste an Ordnern und Systemmenüs kann man nun bis zu zehn Verknüpfungen zwecks Schnellzugriff in den Seitenbereich legen. Eine Änderung hat man auch der Taskleiste beschert. Auf Wunsch können Nutzer diese nun automatisch ausblenden lassen, wenn sie im Tabletmodus eine bildschirmfüllende App starten, zuvor war sie ständig eingeblendet. Sie bleibt allerdings mit einer kurzen Aufwärts-Wischbewegung vom unteren Rand weg schnell zugänglich.

Foto: Microsoft

Aufwertung für Benachrichtigungszentrale

Ein eher untergeordnetes Dasein fristete die Benachrichtigungszentrale bisher in Windows 10. Sie ersetzte das bisherige Wirrwarr an Popups und Hinweisfenstern von Programmen mit einem einheitlichen Benachrichtigungssystem. Dabei bot sie allerdings kaum mehr, als eine Sammelstelle für bisherige Hinweise.

Mit dem Geburtstags-Update wandert dieses Element nun aus der Trayleiste in einen eigenen Bereich am rechten Rand der Taskbar. Meldet eine App etwas, nimmt der Button kurzfristig das App-Icon an. Dazu informiert eine Zahlenanzeige beim jeweiligen Icon nun auch über die Anzahl verpasster Updates.

Benachrichtigungen selber können nun auch Bilder und Icons enthalten. Dazu können sie auch Interaktionselemente enthalten. Reminder oder Weckrufe lassen sich nun beispielsweise verschieben oder abstellen, ohne dafür in die jeweilige App wechseln zu müssen. Über die neuen Prioritäts-Einstellungen können Nutzer nun konfigurieren, welche App-Notifications nun immer an oberster Stelle eingeblendet werden, egal zu welcher Zeit sie ankommen.

Zusätzlich lässt sich einstellen, wieviele Benachrichtigungen bestimmte Apps angezeigt werden sollen. Auch die im Benachrichtigungszentrum untergebrachten Schnelleinstellungen können nun nach eigenem Gusto konfiguriert und angeordnet werden.

Über Cortana erhält der Benachrichtigungs-Bereich ein weiteres Feature, das sich an Smartphone-Besitzer richtet. Wer möchte, kann sich dort nun auch die Benachrichtigungen von seinem Handy einblenden lassen und per "Universal Dismiss" auch auf beiden Geräten löschen. Derzeit funktioniert die Synchronisation mit Android-Telefonen und – wenig überraschend – Smartphones mit Windows 10 Mobile.

Bash goes Windows

Die Relevanz von Linux-Systemen im Server-Bereich und bei Smartphones (Android) ist auch Microsoft nicht entgangen. Und mit der nativen Integration eines Linux-Subsystems und der Shell Bash will man Entwicklern hier entgegen kommen.

Die Funktion ist optional und muss manuell aktiviert werden. Für den Durchschnittsanwender spielt sie keine Rolle. Wer selber Programme für verschiedene Plattformen schreibt, kann nun auch – zumindest zum Teil – unter Windows arbeiten und muss nicht mehr zwingend extra für diese Zwecke ein eigenes Betriebssystem installieren. Dazu dürfte man bei Microsoft hoffen, dass man auf diese Weise Programmierer dazu verlocken kann, ihre Programme vermehrt auch für Windows 10 umzusetzen.

Foto: Microsoft

Weitere Neuerungen

Die Auflistung der Änderungen ist freilich nicht vollständig. Für Gamer relevant ist etwa nicht nur das neue Update für die Xbox One, sondern auch die Zusammenlegung des Xbox und Windows Stores. Auch Windows 10 Mobile und Windows Holographic greifen nun auf den gleichen Katalog zu. Die App-Einträge erhalten zusätzliche Details und zeigen nun nicht nur die Mindestanforderungen eines Programms, sondern auch die empfohlene Hardware. Dazu gibt es auch weitere Interface-Verbesserungen.

Microsofts neuer Edge-Browser konnte bislang kaum Territorium gegen Google Chrome und Mozilla Firefox gewinnen. Das sollen verbesserte Performance und neue Features ändern. Neben Windows Hello unterstützt Edge nun auch Erweiterungen. Zu finden sind diese über den Windows Store. Microsoft verspricht zudem, dass Edge nun auch sparsamer mit den Akkus von Laptops, Tablets und Convertibles umgeht. Hinzu gesellen sich auch Neuerungen bei der Bedienung – etwa die Möglichkeit, mit kurzen Wischgesten vor und zurück zu blättern.

Foto: Microsoft

Mit dem Anniversary Update liefert Microsoft auch eine Universal App für Skype ab. Diese ist vor allem im Vergleich zur "normalen" Desktop-Version noch nicht komplett, soll aber langfristig die Zukunft des Messengers unter Windows 10 werden.

Lehrer können mit Windows 10 künftig schneller Schüler-PCs einrichten. Mit der Windows Defender Advanced Threat Protection sollen Unternehmen laufende Angriffe auf ihre Infrastruktur erkennen und sich dagegen wehren können. Die Windows Information Protection richtet sich ebenfalls an den Enterprise-Einsatz und trennt Unternehmensdaten von persönlichen Inhalten. Über eine den einzelnen Dokumenten zugeordnete Klassifizierung soll auch einfach nachvollziehbar gemacht werden können, wer wann und von wo aus auf welche Dateien zugegriffen hat. (gpi, 02.08.2016)

Update, 17:10 Uhr: Microsoft hat nach eigenen Angaben den Rollout gestartet, die Einleitung des Artikels wurde entsprechend angepasst.