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IOC-Präsident Thomas Bach (links) verbreitet positive Stimmung. Rios Bürgermeister Eduardo Paes hat noch Sorgen.

Foto: Reuters/Pfaffenbach

Thomas Bach landete mit seinem Gefolge am Mittwoch im Morgengrauen in der Olympiastadt. Trotz der frühen Stunde wurde der IOC-Präsident von Dutzenden Kameras und Mikrofonen bedrängt. Er könne bereits die "olympische Atmosphäre spüren", rief Bach den Reportern entgegen. Und überhaupt, "alle Athleten sind glücklich, es werden wunderbare Spiele". Es scheint, als hätte Bach mit seiner Landung die Rolle des Motivators übernommen. Bislang war es Rios Bürgermeister Eduardo Paes, der unermüdlich Pannen wegkommunizierte und den olympischen Geist beschwor. Doch sein Ton ist inzwischen gereizter geworden.

So geriet die Übergabe des olympischen Dorfes zu einem Fiasko. Als unbewohnbar wies nicht nur das australische Team die Athletenunterkünfte zurück. Auch zahlreiche andere Teams waren empört und heuerten selbst Handwerker an, um die Duschen in Gang zu bekommen, offen liegende Stromkabel zu isolieren und Abflüsse neu zu verlegen. Inzwischen musste auch das Organisationskomitee zähneknirschend zugeben, dass in der Hälfte der mehr als 3600 Apartments in den 31 Hochhäusern noch nachgebessert werden muss – innerhalb von nicht einmal einer Woche. Zum Teil wurde das schon erledigt. Die Australier sind mittlerweile eingezogen.

PPP

Nicht nur im olympischen Dorf, überall in der Stadt finden sich bunte Sichtschutzwände, hinter denen sich noch Baustellen verbergen. An Wettkampfstätten für die Ruderer, dem Velodrom und dem Beachvolleyballstadion wird noch Tag und Nacht gearbeitet. Auch konnten bisher viele der Sicherheitsschleusen mit Metalldetektoren an den Eingängen nicht installiert werden, weil ausgebildete Mitarbeiter fehlen. Medienberichten zufolge soll Bürgermeister Paes in den vergangenen Tagen gleich mehrere Notrufe nach Brasília geschickt und um mehr Geld zur Behebung der Mängel an den Olympiabauten gebeten haben.

Doch hinter den Missständen steckt ein struktureller Fehler. Paes' Zauberwort der vergangenen Jahre lautet Public Private Partnership (PPP). Mit den Partnerschaften holte er Privatunternehmen ins Boot und suggerierte damit, dass Rio die Spiele fast kostenlos bekommt. Auch der Olympiapark wurde in PPP mit den tief im Korruptionssumpf steckenden Baugiganten Odebrecht und dem Immobilienmogul Carvalho Hosken errichtet. Beide Firmen gehören wie zufällig zu den größten Wahlkampfspendern für Paes und seine Partei PMDB.

Die Stadt überließ den Unternehmen das Bauland und befreite sie von Auflagen sowie vielen staatlichen Kontrollen. Im Gegenzug können sie das olympische Dorf nach den Spielen vermarkten. Es liegt auf der Hand, dass die Ausgaben deshalb so niedrig wie möglich gehalten wurden. Man kann es Pfusch oder gleich Korruption nennen. Nach den Spielen werden die Wohnungen zu Luxusappartements umgerüstet und stehen für rund 20.000 Euro pro Quadratmeter zum Verkauf. Das ist das eigentliche Geschäft.

Sicherheitsproblem

Eine der größten Sorgen der Organisatoren ist aber die prekäre Sicherheitslage in der rund sieben Millionen Einwohner zählenden Metropole. Öffentlichkeitswirksam proben Fallschirmjäger, Marineeinheiten und Elitesoldaten mit spektakulären Einsätzen fast täglich den Ernstfall. Doch mit Antiterroreinsätzen haben weder Polizei noch Militär Erfahrung. Auch hat die Gewalt wieder zugenommen. Mehr als 2000 Tote gab es in den ersten vier Monaten dieses Jahres, zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das Konzept der Befriedung ist nicht aufgegangen, weite Teile der Metropole sind unter der Kontrolle rivalisierender Banden.

Hubschrauberpiloten berichten, dass ihnen der Überflug von Favelas, die noch in der Hand der Drogenbanden sind, aus Angst vor Beschuss untersagt wurde. Nichtregierungsorganisationen klagen derweil, dass das Budget für Sicherheit doppelt so hoch wie das für Gesundheit und Bildung zusammen ist. Gebracht hat es den Menschen allerdings nichts. Probleme wie die Zwangsumsiedlungen, Privilegien für die Reichen und eine Militarisierung des öffentlichen Raumes habe es bei Olympischen Spielen schon oft gegeben, sagt der US-Politikwissenschafter und ehemalige Olympiateilnehmer Jules Boykoff. "Aber in Rio sehen wir all dies extrem und mit geballter Kraft." (Susann Kreutzmann, 28.7.2016)